1949 wurde Arthur Miller für sein Drama "Death Of A Salesman“ mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. 1985 kam Volker Schlöndorffs Verfilmung in die Kinos – mit Dustin Hoffman in der Rolle des ausgebrannten Vertreters Willy Loman, der keine innere Ruhe mehr findet. Sein irrationales Festhalten an und der gleichzeitige Verrat von Idealen, sein verletzter Stolz und das stolze Nichteingestehen von Verletzlichkeit – aus Willys Dramen führt kein Happyend heraus. Der Filmschluss ist sogar noch bitterer, als es der Titel vermuten lässt. Letztlich geht es in der Geschichte um verschiedene Vorstellungen davon, frei zu sein, die nicht miteinander vereinbar sind. Sie wissen schon: Familienangelegenheiten.
Nach langer "Flucht" auf unzähligen Dienstreisen und in Träume von einer glorreichen Zukunft der Kinder, holt die Wirklichkeit Willy Loman endgültig ein. Vom Arbeitgeber eiskalt entlassen – sein Burnout macht ihn verzichtbar –, steckt er fest im eigenen Haus. Die Hypothek ist bald abbezahlt ist, doch bleibt es mit enttäuschten Hoffnungen belastet. Für Willys Söhne Happy und Biff ist der American Dream eher ein Albtraum, sie versinken wie ihre Eltern im Mittelmaß.
Lomans Rastlosigkeit, mit der er durch die beengten Räume seines kleinen Lebens tapert, wird in Tod eines Handlungsreisenden von Michael Ballhaus` typischen Kameraschwenks begleitet, Schlöndorffs feine Regie fügt die lauten Selbstgespräche und aggressiven Dialoge zusammen, so dass sich ein manischer innerer Monolog offenbart. Der muss sich in vielen Jahren auf Achse zusammengebraut haben. Loman ist Handlungsreisender im doppelten Wortsinn.
Die Geister der Vergangenheit treffen allmählich auf den Spuk der Gegenwart – und die aufwühlende Tragik der Existenz des Antihelden gipfelt im Rückblick auf einen dunklen Punkt seiner Biografie. Der von John Malkovich gespielte Sohn Biff, auf dessen sportliche Zukunft als Quarterback Willy mal große Stücke gesetzt hatte, erwischte ihn einst im Hotel mit einer anderen Frau. Jahrelang schwelte dieser Vater-Sohn-Konflikt und lässt sich nicht mehr lösen. Schließlich bleiben nur gegenseitige Schuldzuweisungen. Es kommt zum Knall.
Dustin Hoffman als Willy Loman mit der falschen Frau
Volker Schlöndorffs gesamtes Werk, aus dem nun sechs Filme gebündelt, hübsch ediert und teils technisch überarbeitet erscheinen, wird von Literaturverfilmungen wie dieser bestimmt. Sein Debüt Der junge Törless (1969) mit Matthieu Carriére als Hauptdarsteller basiert auf einem Roman von Robert Musil, Baal (1970) mit Rainer Werber Fassbinder als Künstlerekel auf dem gleichnamigen Stück von Brecht. 1979 wurde dann Schlöndorffs Die Blechtrommel nach dem Bestseller von Günter Grass mit dem Oscar für den besten fremdsprachigen Film ausgezeichnet. Allesamt keine Feelgood-Movies, und die Wahl der rauen Stoffe lässt vermuten, dass ein Film mit einem versöhnlichen Ende nie Schlöndorffs Absicht war. Sonst würde er wohl auch andere Bücher lesen.
Sie haben vielleicht noch das kalte Resümee des schnöseligen Törless im Kopf, den hoffnungslos egozentrischen Dichter Baal vor Augen oder erinnern sich an Oskar Matzeraths Verlust von Trommel und Heimat nach fast drei mitreißenden Filmstunden. Und auch in Schlöndorffs Adaption des weltberühmten „Homo Faber“ gibt es der Vorlage entsprechend kein Happyend. Aber gerade das macht die Filme unvergesslich. Zum Beispiel den nicht in dieser Box enthaltenen Die Fälschung nach dem Roman von Nicolas Born. Die Produktion folgte auf den Gewinn des Oscars, und die Geschichte spielt im libanesischen Bürgerkrieg. Es gibt darin viele Bilder zu sehen, die an das heutige Syrien erinnern, wie man es aus den Nachrichten kennt.
Max Frisch und Volker Schlöndorff haben etwas zu feiern
Zu Beginn der 1990er Jahre machte Volker Schlöndorff eine Phase einschneidender persönlicher Veränderungen durch. Gerade in dieser Zeit des Umbruchs verlor er die einstige Scheu vor einer Verfilmung von Max Frischs „Homo Faber“, da er sich plötzlich in manchen Wesenszügen der Hauptfigur wiedererkannte. Ein Machertyp par excellance, dessen durchgeplantes Leben aus der Balance gerät? "Das bin ich", realisierte Schlöndorff. Im Bonusmaterial der Edition erzählt er ausführlich von dem Projekt.
Die Rechte lagen gerade wieder in den Händen von Max Frisch, der die Filmpläne unterstützte. Ähnlich wie Schlöndorff war er begeistert von Julie Delpys schauspielerischer Präsenz in der Rolle von Walter Fabers Tochter Sabeth, die sich ohne es zu wissen in ihren Vater verliebt. Allerdings ist der Schweizer Schriftsteller da schon schwer an Krebs erkrankt – ein Schicksal, das selten mit einem glücklichen Ende verknüpft ist – und stirbt am 4. April 1991, nur kurz nachdem die ersten Kinozuschauer Sabeths Tod auf der Leinwand betrauert haben.
Der sechste Film dieser Zusammenstellung ist Die verlorene Ehre der Katharina Blum. Schlöndorff konzipierte und drehte ihn 1975 gemeinsam mit Margarethe von Trotta. Seine Botschaft lässt sich nicht übersehen. Autor Heinrich Böll ließ Schlöndorff und von Trotta das Manuskript bereits zukommen, als sich das Buch noch gar nicht in Druck befand. Böll war kurz zuvor sowohl mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet als auch von der Bild-Zeitung als geistiger Ziehvater der RAF-Terroristen bezeichnet worden. Dem wollte er mit der Geschichte einer unbescholtenen Frau, die ins Fadenkreuz von Polizei, Staatsanwaltschaft und Boulevardmedien gerät, etwas entgegen setzen. Literatur und Kino als Mittel politischer Intervention.
In Schlöndorffs Filmen geht es also immer um individuelle Freiheiten und soziale Zwänge. Ob es wie in Baal die Freiheit ist, ein kreatives Scheusal zu sein; die Freiheit nicht wachsen zu wollen wie in Die Blechtrommel ; oder die Freiheit einer ungewöhnlichen Liebe wie in Homo Faber – nie gibt es am Ende einfache Lösungen oder gar Friede-Freude-Eierkuchen.
Das Finale von Die verlorene Ehre der Katharina Blum bildet aber sozusagen einen Spezialfall des Schlöndorffschen UnHappyends. Im satirischen Nachspiel wird nämlich jene Freiheit zu Grabe getragen, die in einer Demokratie auch von Hetzern in Anspruch genommen wird: Die Pressfreiheit. Brandaktuell in Zeiten des Populismus, so wie auch das erschöpfte Selbst des Handelreisenden Willy Loman leider kein Phänomen der Vergangenheit ist.
WF