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Homo Faber: New York – Mexiko – auf dem Atlantik – Paris – Italien – Rom – Athen

Volker Schlöndorff kämpfte beim Dreh von Homo Faber auch mit den logistischen Herausforderungen, die Max Frischs auf der ganzen Welt spielende Roman und ein Hauptdarsteller mit Flugangst so mit sich brachten. Hier erzählen wir mit ihm von den größten Herausforderungen.

26. Juli 2024

In Max Frischs Homo Faber wird viel gereist – auf eine Weise, die es damals kaum möglich machte, diese Szenen irgendwo in einem Studio oder in einem Land mit guter Filmförderung nachzubauen. Die Entscheidung weitestgehend an originalen Schauplätzen zu drehen, trieb auch das Budget in die Höhe. Und führte zu der Entscheidung auf Englisch zu drehen, um ein größeres Publikum erreichen zu können. Volker Schlöndorff sagt dazu: "Das war geradezu naiv und halsbrecherisch von uns, dass wir uns darauf eingelassen haben. Ein Film, der in New York spielt, in Mexiko spielt, der auf einem Schiff über den Atlantik spielt, der dann in Paris, dann in Südfrankreich, dann quer durch Italien, in Rom und zum Schluss in Athen spielt. Da wird ja jeder Produktionsleiter verrückt!" Das Problem sei außerdem gewesen, dass der Film eben dann doch – ästhetisch betrachtet – kein Roadmovie sei, "wo man dann mit der Kamera auf der Schulter unterwegs ist." Da der Roman in Handlung und Ästhetik nun mal sehr in der Zeit verankert ist, in der er spielt, habe man überall die 50er-Jahre simulieren müssen. "Das heißt: alte Autos besorgen, die da auf der Straße stehen, die Cafés und die Kneipen ausstatten. Solche Dinge."

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Vor allem an den Dreh in Mexiko erinnert sich Volker Schlöndorff aber gerne zurück. Im Roman ist Faber in Guatemala unterwegs, aber Schlöndorff kannte sich in Mexiko gut aus und verlegte die Handlung dort hin. Er war in den 60ern im Team von Louis Malle in Mexiko gewesen, der gerade Viva Maria! drehte. Schlöndorff war damals unter anderem für die Motivsuche zuständig, kannte die Gegend und wusste, dass sie zur Story passt. "Ich konnte schon aus dem Kopf für jede Szene die Reiseroute festlegen."

Hauptdarsteller Sam Shepard sorgte dann für eine der größten logistischen Herausforderungen: Er fliegt einfach nicht. Ungünstig, wenn man den viel reisenden Faber spielen soll. "Die ersten Etappen haben wir tatsächlich mit einem Auto und gleich zwei Fahrern, die sich abwechselten, bewältigt. Das war so eine Miet-Limousine, wo Shepard auch einigermaßen gut drin schlafen konnte." Bei der Reise nach Mexiko, wo auch die berühmte Flugzeug-Absturz-Szene gedreht wurde, gab es dann Komplikationen bei der Einreise. "Shepard hat als guter Amerikaner, der sein Land liebt, natürlich keinen Pass, weil er es so gut wie nie verließ. Er war dann ganz irritiert, dass man an der Grenze einen Pass braucht. Ich glaube, sie haben ihn wegen der Limo und wegen seiner Erscheinung kurz für einen amerikanischen Drogenboss gehalten." Aber auch das habe man aufklären können.

Sam Shepard hatte dann doch keine Flugangst im strengen Sinne. Er hasste es einfach nur, mit anderen Menschen auf Stunden eingesperrt zu sein. © Studiocanal

Sam Shepard hatte dann doch keine Flugangst im strengen Sinne. Er hasste es einfach nur, mit anderen Menschen auf Stunden eingesperrt zu sein. © Studiocanal

Blieb nur die Frage, wie man Sam Shepard schließlich nach Europa bringen sollte. "Die Queen Elizabeth, die von New York nach Le Havre fährt, gabs ja nicht mehr." Frachtschiffe, die Passagiere mitnehmen, habe es gegeben, aber das hätte fast zwei Wochen gedauert und das Produktionsbudget gesprengt. Als Schlöndorff und sein Team das mit Shepard besprachen, fragte der plötzlich: "Was ist denn mit der Concorde?" Die flog damals noch und brauchte gut drei Stunden. Shepard erklärte, er habe ja keine Flugangst, er sei einfach nicht so gerne so lange mit anderen Menschen eingesperrt. Also flogen Schlöndorff und er gemeinsam über den großen Teich.

Weil all das die Kosten in die Höhe trieb, mussten die Dreharbeiten dann gar für eine Weile unterbrochen werden. Schlöndorff und seinem Partner Eberhard Junkersdorf ging schlichtweg das Geld aus. Also beschloss Schlöndorff erst ein anderes Filmangebot anzunehmen, während man gemeinsam nach weiteren Geldgebern suchte. Er drehte in der Zwischenzeit Die Geschichte der Dienerin nach dem Roman von Margaret Atwood: "Um Geld zu verdienen, und weil es ein tolles Projekt war."

Die Zwangspause kam Schlöndorff aber auch noch aus einem anderen Grund gelegen: Ein großes Problem war nämlich noch immer nicht gelöst. Für die ikonische Szene des Flugzeugabsturzes brauchte es einen ganz bestimmten Flugzeugtyp: eine Lockheed Super Constellation. Volker Schlöndorff erinnert sich: "Davon gab es nur noch eine Handvoll und drei davon waren tatsächlich im Drogenhandel zwischen Kolumbien und Texas im Einsatz." Der Ausstatter hatte tatsächlich während der Drehpause dann doch noch ein Flugzeug gefunden. Er hatte recherchiert, dass die Super Constellation vor allem für die Fluglinie TWA im Einsatz war. Die hatte ihren Stützpunkt in Kansas City, was zur Folge hatte, dass dort viele Ex-Piloten lebten. Einigen davon hatten sich zu einem Verein zusammengeschlossen und eine Maschine erworben.

In einer Reportage über die Dreharbeiten im "Spiegel"-Magazin von Rainer Traub, die im Juni 1990 veröffentlicht wurde, beschreibt der Autor diesen Part sehr charmant: "Es erforderte weitere Monate, zwei Leitz-Ordner Korrespondenz und zahlreiche persönliche Besuche, bis die nostalgischen alten Bastler sich breitschlagen ließen, ihr unter großen Mühen flugtüchtig gemachtes Riesenspielzeug ausgerechnet für eine Notlandungsszene herzugeben - und es buchstäblich in den Wüstensand einbuddeln zu lassen. Der Präsident des Pensionärsklubs, ein freundlicher Südstaatler jenseits der 70, wacht nun als Pilot mit Argusaugen darüber, daß seiner ‚Connie‘ kein Schräubchen gekrümmt wird." Schlöndorff erinnert sich: "Es fehlte nur ein Motor von vieren und dafür brauchten sie 10.000 Dollar. Die hat der Junkersdorf ihnen bezahlt und dann sind sie auf den großen Flugzeugfriedhof in Tucson, Arizona, haben sich den Motor gekauft, mit dem LKW nach Kansas City gebracht und dann eingebaut. Dann haben sie ein Probefliegen gemacht und alles ging wunderbar. Danach mussten wir damit rausrücken zu sagen: So, und jetzt, nach der Bruchlandung, buddeln wir das Flugzeug in Sand ein."

Der Film wurde trotz der Mühen alles andere als eine Bruchlandung – und auch wenn Volker Schlöndorff im Gespräch schon durchblicken lässt, dass einige dieser Anekdoten doch hart nervten, sagt er am Ende doch: "Letztlich braucht es immer auch ein wenig Glück. Und ich würde sagen: Auch dieser Film stand unter einem guten Stern."

Kürzlich erschien die in 4K restaurierte Edition von Homo Faber im Heimkino. Dieser Text ist Teil des Booklet-Magazins.

DK

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