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Der Cast von Homo Faber: Der Cowboy, die Virgo und die moralische Instanz

Ein Rocker, Hippie, Beatnik, Dramatiker und Cowboy als Architekt Walter Faber, eine junge Französin als Sabeth und eine Schauspiel-Instanz, die viel mit Volker Schlöndorffs damaliger Frau Margarethe von Trotta gedreht hat. Der Cast von Homo Faber ist ebenso brillant wie überraschend. Auch Max Frisch zeigte sich zufrieden bis begeistert von den Dreien.

09. Juli 2024

In dieser Woche erscheint die in 4K restaurierte Edition von Homo Faber im Heimkino. Wir schauen deshalb noch einmal ausführlich auf den für viele überraschenden Cast und erfahren, wie Volker Schlöndorff den Autor Max Frisch von "seinem" Faber überzeugen konnte.

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Sam Shepard

Wer den 1943 geborenen Sam Shepard zuvor als draufgängerischen Testpiloten Chuck Yeager in Der Stoff, aus dem die Helden sind gesehen hatte, oder als Farmer Cal Carpenter im Drama Resurrection, dürfte Probleme gehabt haben, in ihm den Walter Faber zu erkennen. Auch Volker Schlöndorff verrät in unserem Interview, dass es ein langer Weg war, bis man sich für Sam Shepard entschieden hatte. "Ich habe die verschiedensten Leute angesprochen", erinnert sich Schlöndorff. "Heute kann ich das ja sagen. Robert De Niro zum Beispiel. Der hat das gelesen, und ich wusste auch, dass er damals mit einer jungen Frau zusammenlebt. ‚I am not ready for this yet‘, hat De Niro lachend geantwortet." Ein Problem sei vor allem gewesen, dass niemand in Amerika den Roman von Max Frisch gekannt habe. "Außer William Hurt – der kannte das Buch sogar sehr gut." Aber der habe zur gleichen Zeit ein finanziell weitaus besseres Angebot bekommen und deshalb abgesagt.

Sam Shepard © Studiocanal

Sam Shepard © Studiocanal

Julie Delpy

"Ja. Da ist die Virgo." Diese Worte wählte Max Frisch, als ihm Volker Schlöndorff Fotos und Szenen einer jungen französischen Schauspielerin namens Julie Delpy gezeigt hatte. Sie sollte Elisabeth, Sabeth, spielen – jene junge Frau, in die sich Faber verliebt, unwissend, aber im Inneren ahnend, dass sie seine Tochter sein könnte. Frisch hielt Delpy für die perfekte Besetzung.

Darauf angesprochen, sagte die 1969 geborene Delpy 1991 in einem Interview mit Gerhard Midding, das zum Kinostart in der Tageszeitung "taz" veröffentlicht wurde: "Das würde eine Schauspielerin aus jedem Land, auch aus der Schweiz oder Deutschland, überraschen: dass man dem Bild eines Schriftstellers von einer Figur, die er vor Jahrzehnten erdacht hat, so perfekt entspricht. Das ist fast das größte Kompliment für einen Schauspieler, der eine Figur zum Leben erwecken will, die der Vorstellungskraft eines Autors entsprungen ist." Später habe Max Frisch ihr noch mitgeteilt, "wir hätten im Film wirklich das umgesetzt, was er im Roman andeuten und erklären wollte."

Julie Delpy als Sabeth © Studiocanal

Julie Delpy als Sabeth © Studiocanal

Julie Delpy war die erste Wahl der Casting-Direktorin Pat Golden, die das Casting auf amerikanischer Seite verantwortete. Delpy hatte bei einem Casting in New York mitgemacht, während Schlöndorff unter deutschen Schauspielerinnen suchte. "Ich kann mich nicht mehr an alle Namen erinnern", sagt er, "aber Katja Riemann war dabei und sehr überzeugend." Aber dann habe Golden angerufen und ihm gesagt: "Du brauchst nicht mehr weiter zu suchen. Ich habe sie." Schlöndorff fragte Pat Golden, wie sie denn so sicher sein könne und die lud ihn ein, nach New York zu kommen und die Bänder zu sehen. Schlöndorff erkannte Delpy sofort, weil er natürlich "Die Passion der Beatrice" von Bertrand Tavernier gesehen hatte, wo sie die Hauptrolle spielt. Eine spannende Fügung, denn Tavernier war Jahre zuvor Schlöndorffs Sitznachbar und Schulfreund an der Pariser Eliteschule Lycée Henri IV gewesen, wo die beiden ihren Abschluss machten. Mit Tavernier an der Seite habe Schlöndorff damals auch zum ersten Mal über ein Schüler-Theater-Abo die Arbeit von Max Frisch kennengelernt – aber das ist eine andere Geschichte.

Julie Delpy und Volker Schlöndorff haben nach den Dreharbeiten den Kontakt gehalten. Da kann es schon mal passieren, dass Delpy in einem Interview mit der "Berliner Zeitung", das gut 25 Jahre nach Homo Faber erschien, erzählt, dass sie gerade von einem freundschaftlichen Mittagessen mit Schlöndorff kam. "Da wir uns sehr mögen und schätzen, haben wir uns in all den Jahren nicht aus den Augen verloren", sagt sie in diesem Gespräch. Und in der "taz" schwärmte sie geradezu von der gemeinsamen Arbeit: "Volker half mir ebenfalls sehr, denn er wusste, dass die Rolle der Sabeth sehr anspruchsvoll ist. Manchmal braucht man als Schauspielerin den Schutz des Regisseurs, andernfalls hätte man das Gefühl, ohne Netz auf dem Trapez zu stehen. Man kann dann schwierigere Dinge machen und ist wagemutiger."

Barbara Sukowa

Die Idee, Homo Faber doch zu verfilmen, kam Volker Schlöndorff bekanntlich in einer privaten Krise, über die man ebenfalls an anderer Stelle im Text "Eine Produktion wie ein Abenteuerfilm" lesen kann. Die Besetzung der Hanna, die moralische Instanz des Films, mit Barbara Sukowa erscheint also durchaus als Brücke ins Privatleben von Volker Schlöndorff. Sukowa wurde damals nämlich vor allem für ihre Arbeit mit Margarethe von Trotta geschätzt – sie spielte zum Beispiel die ikonische Rosa Luxemburg. Schlöndorff musste sich damals eingestehen, dass seine Ehe mit von Trotta nicht mehr zu retten war.

Julie Delpy und Barbara Sukowa © Studiocanal

Julie Delpy und Barbara Sukowa © Studiocanal

"Also soweit ich mich erinnere", sagt Schlöndorff, "stand Barbara Sukowa fast von Anfang an fest. Noch bevor wir mit dem Drehbuch angefangen haben. Dass es sehr schwierig sein würde, ein Homo Faber und eine Sabeth zu finden, das war klar. Aber diese klar gezeichnete Figur einer deutschen Archäologin, unglaublich streng in ihren moralischen Maßstäben? Na ja, also wie viele Schauspielerinnen gibt es, denen man so viel Rigorosität zutraut?" Stimmt.

Daniel Koch

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