TRAINER
Wim Wenders
Wenders hat die Übersicht für die richtigen Entscheidungen aus der Coaching Zone. Er versteht es, das Spiel aus dem berühmten Robby-Müller-Winkel zu betrachten und verfügt über taktische Erfahrung, die zu einem Kader mit derart vielen komplexen Charakteren passt. Auch ist ihm die nötige, milde Nonchalance zuzutrauen, um ein solches Star-Ensemble zu dirigieren und die unbequemen Entscheidungen, die der Fußball mit sich bringt, eloquent zu moderieren. Nur mit dem Schiri hadert er manchmal, weil er das Spiel eben durch die Wim-Wenders-Brille sieht.
Wim Wenders führt von außen Regie © Donata Wenders
TOR
Pedro Almodóvar / Ingmar Bergman
Der Spanier steht im extravaganten Dress im Kasten. Das Fußballer-Latein besagt, dass Keeper und Linksaußen ein bisschen schräger drauf sind als der Rest des Teams – mit Almodóvar hütet also unser buntester Hund das Tor. Es ist damit zu rechnen, dass er aus seiner Position heraus großen Einfluss auf die Kulisse nimmt und im Elfmeterschießen die Schützen an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringen wird. Wenn es selbst ihm zu bunt wird, kommt Ingmar Bergman als ebenbürtiger Ersatz zwischen die Pfosten. Dessen stoische Art bringt noch die gefährlichste Offensive aus dem Konzept.
ABWEHR
Lars von Trier
Der Däne ist besessen von Spielregeln, er könnte somit ein guter Schiedsrichter sein, wenn er nicht gleichzeitig auch verdammt parteiisch wäre. Außerdem will er immer gewinnen. Man kann von Trier gut als Verteidiger einsetzen, der getreu dem alten Dogma-95-Manifest kompromisslos in die Zweikämpfe geht und den Ball so lange laufen lässt, bis der keine Lust mehr hat, Hauptdarsteller des Spiels zu sein. Technisch hat er mitunter einige Wackler im Spiel, aber zaubern muss ein Vorstopper nicht können.
Rainer Werner Fassbinder
Fassbinder ist der Spieler im Kader, der dem Terrier aus den Fussballlehrbüchern am nächsten kommt. Mit dem bekennenden Bayern-Fan (allerdings ist auch ein Foto im FC-Köln-Dress überliefert) auf der linken Abwehrseite hat man einen Wadenbeißer auf dem Platz, der die eigene Mannschaft gerne mal zusammenstaucht, wenn es nicht richtig läuft. So ein positiv bekloppter Stinkstiefel ist wichtig für das Teamgefüge. Da seien ihm das Zigarettchen und der nicht-isotonische Durstlöscher in der Pause gegönnt. Als Kettenraucher ist er sogar variabel einsetzbar: Ob Dreierkette, Viererkette …
Werner Herzog
Nach seinen Erfahrungen mit Klaus Kinski bleibt Herzog als zentraler Abwehrrecke unbeeindruckt von Angreifern, die es mit Trash Talk versuchen. Auch hartes körperliches Einsteigen schreckt ihn nicht ab. Wer gegen ihn austeilt, muss damit rechnen, es mit gleicher Münze zurückgezahlt zu bekommen. Und wer ein Schiff quer durch den Dschungel ziehen kann, vermag auch das Mittelfeld mit einem Pass zu überbrücken.
Volker Schlöndorff
Schlöndorff kann das Spiel lesen wie kaum ein anderer, so ein Match ist für ihn die reinste Literaturverfilmung. Dazu strahlt er als Außenverteidiger eine gewisse Reife aus, verteilt als verlängerter Arm des Trainers dessen leise Kommandos – akkurat auf Zetteln notiert – unter den Mitspielern. Schlöndorff träumt Spielzüge im Voraus als wären es Filmszenen, und wer gegen ihn über die linke Seite vorstößt, wird sofort in interessante politische Diskussionen und anregende kulturelle Gespräche verwickelt.
Beherrscht auch den Flugkopfball: Werner Herzog © Studiocanal
MITTELFELD
Jean-Luc Godard
In dieser Truppe voller Stars sorgt Godard für die ganz besonderen Momente, als Lichtfigur der Nouvelle Vague gebührt nur ihm der Titel des Regisseurs im Mittelfeld. Er selbst würde die Bezeichnung vermutlich ablehnen, sie klingt zu sehr nach Mittelmaß. Aber natürlich ist das Gegenteil gemeint: Mit überraschenden Jump Cuts verwirrt Godard die Gegner und verzückt dabei Kritik und Publikum dank zahlreicher Künststückchen, die schließlich einen ganz eigenen Spielfluss ergeben. Bei jeder Aktion kommt er aus der Tiefe und schließt gern referenzreich mit seiner linken Klebe ab.
François Truffaut
Nach dem Erfolg seines Bestsellers über moderne Trainingsmethoden (Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?) gilt Truffaut als designierter Nachfolger auf dem Trainerposten. Bis dahin bewegt er sich gekonnt im Schatten von Godard und bringt immer wieder Linie ins Spiel, wenn dieser sich in abstrakten Ideen verzettelt. Schießen sie nicht aufs Tor? Von wegen. Mit seiner Technik trifft er meist perfekt den Winkel.
Federico Fellini
Vom italienischen Catenaccio hält Fellini nichts. Glamour und Esprit gehören für ihn zu einer gelungenen Partie, statt Eistonne muss es schon der Trevi-Brunnen sein. Für Fellini beginnt das Spiel auch bereits mit der Ankunft des Star-Ensembles am Flughafen. Er beherrscht das Spiel mit den Journalisten perfekt. Darüber hinaus prägt er im Doppelpass mit Bergman die spirituelle Atmosphäre in der Kabine. Am Spielfeldrand Bekreuzigen war gestern, das Einlaufen muss zur Prozession werden.
Luis Buñuel
Buñuel bringt die surrealistischen Elemente in den Spielaufbau, bis den Kontrahenten die Taktik Spanisch vorkommt. Der diskrete Charme seines ungewöhnlichen Passspiels samt außerordentlicher Schusstechnik machen ihn zu einem unverzichtbaren Spielertypen, der auch Standardsituationen fantastisch zu inszenieren weiß.
Gilt intern als kreativer Eingebrötler: Luis Buñuel © Studiocanal
STURM
Fatih Akin
Akin ist der moderne Zielspieler für geniale Vorlagen, die er meisterhaft abzuschließen versteht, Stichwort Tschick & Rush. Er ist viel im Strafraum unterwegs, lässt sich durch hartes Einsteigen nicht einschüchtern und behält selbst im wildesten Spielgeschehen noch die Übersicht. Akin kreiert viele Chancen und packt auch mal die Brechstange aus, wenn die Mannschaft das Gefühl hat, sie läuft bei jedem Angriff gegen die Wand.
Ken Loach
Loach ist ein Linksaußen par excellence. Der Brite behält in jeder Spielsituation den kritischen Blick und läuft unter widrigen Umständen erst recht zu Top-Form auf. Wo andere keine Klassenunterschiede erkennen wollen, legt Loach mit seinen Angriffen über den linken Flügel die Probleme des gegnerischen Spielsystems gekonnt frei. Sein Spielstil gilt als revolutionär, aber menschlich ist er ein echter Teamplayer.
WF