Es scheint keine abwegige Vorstellung, dass Robert De Niro sich auf den heutigen Tag und die Rolle, die er an ihm spielt, so akribisch vorbereitet haben könnte wie auf seine zahlreichen Filmfiguren und Filmszenen. Es ist nicht die Rolle in Dinner For One oder: Der 90. Geburtstag. Doch immerhin feiert der 1943 in Manhattan geborene Schauspieler, den man mit Fug und Recht als einen der Größten der Kino-Geschichte bezeichnen darf, am 17. August seinen Achtzigsten. Er wird das runde Jubiläum kaum allein begehen, aber vermutlich auch nicht im Rampenlicht, schließlich ist Robert De Niro für seine Zurückgezogenheit so bekannt wie für seine glänzenden Auftritte. Nehmen wir nur die Darstellung des Vito Corleone, den er als kongenialer Brando-Nachfolger im zweiten Teil von Der Pate von Francis Ford Coppola spielte, wofür er wie der Vorgänger den Oscar erhielt. Wie auch immer: Der für ihn eher schwierige Part des Geburtstagskindes könnte den scheuen Star dazu gebracht haben, diesen Ernstfall des echten Lebens, an dem er sich verdientermaßen vor Glückwünschen nicht wird retten können, gewissenhaft zu proben. Etwa nach dem Motto: Wie hole ich tief genug Luft, um alle 80 Kerzen auf der Torte auszupusten? Wir reden immerhin von jenem prominenten Vertreter des Method Acting, der sogar in der Unterwäsche von Al Capone spazieren ging, um sich in den Charakter eines Mafiosi einzufühlen – vorbereitet von Kopf bis Fuß und bis ins kleinste, nun ja, Detail.
Der Typ ist ein Hit
In meiner Schulzeit in den 1980er Jahren erzählten wir Kinder uns diesen Witz: An einem unabgeschlossenen Fahrrad hängt ein Zettel: "Wer das Rad klaut, bekommt es mit mir zu tun. Gezeichnet Arnold Schwarzenegger." Als Arnie vom Einkaufen zurückkommt, ist sein Drahtesel trotzdem weg und stattdessen hängt da ein neuer Zettel: "Habe es mir nur kurz ausgeliehen. Gezeichnet Didi Thurau." Die Pointe mit dem damals schnellsten deutschen Radrennfahrer und Tour-Helden, der dem in unseren Augen vermeintlich stärksten Menschen der Welt ein Schnippchen schlägt, kommt mir an De Niros Ehrentag unweigerlich in den Sinn. Warum? Weil Robert De Niro schon damals eine ebensolche Type war wie die beiden aus dem Witz und genau wie sie mit bestimmten Attributen gesegnet – in seinem Fall ist es die Personifikation des italienischen (oder besser gesagt italienischstämmigen) Mafia-Gangsters. Dazu trug nicht zuletzt der Riesenhit von vor fast vierzig Jahren bei, den die Girl Group Bananarama mit dem Song "Robert De Niro’s Waiting" verzeichnete – sowie das dazugehörige Video, in dem sich der vermeintliche Mobster am Ende als Pizzalieferant entpuppt.
Tatsächlich stammt Robert De Niro aus einer irisch-italienischen Familie und aus bescheidenen New Yorker Verhältnissen. Zudem kommt er aus einem streng musisch geprägten Elternhaus. Sein Vater gehörte zur Szene der Abstrakten Expressionisten, die vor der Pop Art den Ton angaben, De Niros Mutter ist ebenfalls Malerin – und Dichterin. So war das, was manche Eltern als die schiefe Bahn betrachten, auf die ihr Kind dank verrückter Ambitionen geraten könnte, für Mama und Papa De Niro der vorgezeichnete Weg durchs Leben. Jener Pfad, der Robert zunächst recht erfolglos vor die Kamera von Brian De Palma, zwischenzeitlich auf die Bretter des Theaters (meist in gefloppten Off Broadway-Produktionen) und letztlich zurück ins Filmgeschäft und in den Olymp von Hollywood führte. Vor ziemlich genau 50 Jahren gelang ihm der Durchbruch dank Hexenkessel von Martin Scorsese, mit dem er in den folgenden Jahrzehnten noch sehr oft zusammenarbeiten würde. Wobei er es schaffte, seine charakteristische Erscheinung, insbesondere diese verschlagene, schelmische, verdruckste Mimik immer wieder um Nuancen an die Gegebenheiten der jeweiligen Drehbücher und Geschichten anzupassen. Sodass er stets er selbst und doch ein anderer war.
Hommage an die Väter
Mittlerweile sind zahlreiche legendäre Leinwand-Typen untrennbar mit Robert De Niro verbunden, eben weil sie nur durch ihn wahr werden konnten. Selbst wenn sie hier und da Vorbilder in der echten Welt hatten, wie der Boxer Jake LaMotta aus Wie ein wilder Stier, für dessen authentische Verkörperung er nicht nur Boxen trainierte, sondern sich auch noch haufenweise Kilos anfraß, die den Niedergang des Helden symbolisierten. Dazu gehören Travis Bickle aus Taxi Driver, Rupert Pupkin aus King of Comedy, Noodles aus Es war einmal in Amerika, Rodrigo Mendoza aus The Mission, Louis Cyphre aus Angel Heart, Jimmy Conway aus GoodFellas oder Michael Vronsky aus Die durch die Hölle gehen.
Seinen Status als absoluter Klassiker, das heißt als ein Mann von Klasse in vielfachem Sinn, hat Robert De Niro an einem weiteren Scheitelpunkt seines Lebens vor ziemlich genau 30 Jahren unter Beweis gestellt. Damals widmete er die erste eigene Regie-Arbeit In den Straßen der Bronx dem kürzlich verstorbenen Vater. Und die in aller Seelenruhe erzählte Geschichte eines Jungen in mafiösen Verstrickungen ist nichts anderes als eine Verbeugung vor dem Genre, das ihn großmachte, vor äußeren Umständen, die er aus eigener Erfahrung kennt und vor der Kunst des Mentors Scorsese. Der jugendliche Held Caligero ist hauptsächlich ein Wiedergänger des jungen De Niro, während De Niro hinter der Kamera ein Wiedergänger des übergroßen Regisseurs ist. Verdammt classy, wie De Niro auf diese Weise allem und jedem Respekt erweist, also seinen beiden Vätern, aber vor allem auch dem Publikum, dem er gute Unterhaltung beschert.
Die nächste Rolle
Der Klassiker, der mit In den Straßen der Bronx auch als Regisseur jene latente Überzeichnung zelebriert, die man seinem Spiel mitunter nachsagt, nennen wir es dieses eine Mü zuviel, das andere gerne hätten, um ein genau passendes, sprich ausreichendes Maß an Kunstfertigkeit zu erreichen, wird also 80 – und wir gratulieren. Ein schönes Zitat von Robert De Niro selbst besagt: "Ich mag es nicht, meine eigenen Filme zu sehen, ich schlafe dabei immer ein." Vielleicht hat er ja Zeit und Muße, das Wiegenfest einfach im Bett zu verbringen und die schwierige Rolle als Geburtstagskind zu verschlafen. Aber am ehesten ist er hellwach und längst dabei, sich auf die nächste Figur, als die wir ihn dann im Kino bewundern dürfen, vorzubereiten – selbst wenn er dafür die Geburtstagstorte doch allein aufessen muss. Happy Birthday, Mr. De Niro!
WF