Kaum eine Lebensphase ist so oft erklärt und verklärt worden wie der Übergang von der Kindheit in die Jugend und irgendwann zu dem, was man im Rückblick nie werden wollte: erwachsen. Filme oder auch Romane, die diese Zeit voller Emotionen, Verwirrungen und Offenbarungen thematisieren, haben ein eigenes Genre begründet, dessen poetischer Name sich nicht aus dem Englischen übersetzen lässt: "Coming of Age".
Die besten Filme schaffen es dabei, diese ganz besonderen Stimmungslagen junger Menschen so einzufangen, dass man sich auch Jahre später noch in sie hineinfühlen kann. Die Filmwelt hat eine wunderbare Auswahl an Szenarien, die man vielleicht schon mal so ähnlich in seiner Jugend erlebt hat oder liebend gerne erlebt hätte. Und weil wir alle schon Die Reifeprüfung bei Miss Robinson gemacht haben, mit Kopfhörer und Indie-Kuschelhits melancholisch durch den Garden State schlurften und unsere ersten Credit Points beim Studium in der L'Auberge espagnole machen durften, haben wir uns fünf persönliche Lieblinge rausgepickt, die ihr vielleicht noch nicht kanntet.
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Zugegeben: Das Quiz zu La Boum hat uns nicht nur auf die Idee für diese Liste gebracht, sondern auch mal wieder zu diesem wundervollen, leichten, lustigen Liebesfilm: Denn Die Studentin wurde als halboffizieller dritter Teil von La Boum angepriesen. Allerdings spielt Sophie Marceau hier unter der Regie von Claude Pinoteau diesmal keine Vic, sondern eine Valentine. Die reist jung, clever und ambitioniert zum Studium und verknallt sich ausgerechnet in den Tunichtgut und Musiker Edouard, über den Valentine so schön sagt: "Er ist genau, was ich brauche: Sympathisch, riecht gut und nix in der Birne."
Once-Regisseur John Carney macht gar keinen Hehl daraus, was er mit Sing Street erreichen wollte: "Der Film ist die Erfüllung meiner Träume – von all den Dingen die ich mit 14 oder 15 machen wollte und nicht getan habe." Das wären: als gefühliger Underdog mit seinen vermeintlichen Loserfreunden eine Band gründen, nur um ein Video drehen zu können, für das man das coolste Mädchen der Stadt gewinnen kann. All das gelingt dem jungen Conor, der im tristen Dublin der 80er aufwächst und in der Musik von The Cure und Duran Duran Trost findet – und sich dann selbst dran versucht. Ein Film mit toller Musik, einem großen, fetten, warmen Herzen, vielen kleinen Kämpfen – und mit Szenen, die man wirklich gerne so erlebt hätte. Tja, und am Ende kommt raus, was man eh weiß: Die Freaks, die Loser, die Misfits – sie werden am Ende die Coolsten sein.
Damit wir hier die Jugend nicht vollends verklären, werden wir mal kurz dramatisch: Wenn sich der große Ingmar Bergman einer jungen Liebe in einem Bilderbuch-Sommer widmet, dann kann man sich ja ungefähr ausrechnen, wie das ausgeht. Marie liebt also Henrik. Einen Sommer lang. Es ist wundervoll. Wunderschön anzusehen. Und endet natürlich dramatisch. Henrik stirbt bei einem Badeunfall, Marie zieht sich zurück und beginnt später eine Affäre mit ihrem, äh, Onkel. Classic Bergman eben. Und genau deshalb wundervoll gefilmt, tiefschürfend, emotional, dramatisch, eigen. Jean-Luc Godard bezeichnete Einen Sommer lang als "einen der schönsten Filme überhaupt". Das unterschreiben wir so.
Seien wir ehrlich: Auch im Heimkino erleben wir die meisten "Coming of Age"-Geschichten doch in europäischen Metropolen, in amerikanischen Kleinstädten oder in New York. Bab'Aziz - Der Tanz des Windes hingegen führt uns in die Wüste Tunesiens, wo die junge, lebensfrohe Ishtar mit ihrem Großvater Bab 'Aziz zu einem legendären Derwisch-Treffen reist, das nur alle 30 Jahre stattfindet. Der Film des tunesischen Regisseurs Nacer Khemir erzählt diese Reise wie ein spirituelles Märchen, setzt auf überirdisch schöne Bilder und Musik, die fast zu schön ist, um von dieser Welt zu sein.
Und noch ein Blick in die Abgründe der Jugend – auf Mobbing, psychische Erkrankungen, Gaming als Weltflucht, Realitätsverlust, Rachefantasien. Ben X erzählte schon 2008 eine Geschichte, wie sie aktueller nicht sein könnte: Ein junger Mann verschließt sich vor dem realen Leben, das nicht viel für ihn übrig zu haben scheint, flüchtet in ein brutales Computerspiel, in dem er mit einer virtuellen Gefährtin auch die größten Gefahren meistert – und ringt mit Suizidgedanken und Rachefantasien. Greg Timmermans Spiel als Ben, die sehr eigene Ästhetik und die angriffslustige Regie des Debütanten Nic Balthazar machen Ben X zu einem verstörenden Trip, der erstaunlich gut gealtert ist.