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Alain Delon: Charmeur und Provokateur

Am 18. August ist einer der größten Stars der Kino-Geschichte gestorben.

19. August 2024

Unter den Filmikonen, die im Olymp der Kinogeschichte thronen, nimmt Alain Delon eine herausragende Stellung ein. Wie kaum eine zweite Person des kulturellen Establishments wurde er in Frankreich und darüber hinaus im filminteressierten Europa zu einer Figur des öffentlichen Interesses. Ein Lebemann der besonderen Art, und diesen Ruf dürfte er selbst nach dem Tod beibehalten. Am 18. August 2024 ist Delon im Alter von 88 Jahren verstorben.

Alain Delons großer Erfolg als Schauspieler begann 1960. Und mit der Ripley-Verfilmung Nur die Sonne war Zeuge ging ein geradezu visionäres Kompliment der Autorin Patricia Highsmith einher. Die war nämlich der Meinung, Delon gelinge die perfekte Verkörperung ihres faszinierenden, bauernschlauen und rücksichtslosen Hochstaplers. Beinahe als wäre er selbst so eine zwielichtige Type … Heute gilt Delon, den man damals gleich den europäischen James Dean nannte, vielen als die perfekte Mischung aus Heiligem und Teufel. Und wenn beide Extreme mit äußerlichen Reizen zu locken imstande sind, verkörperte er das Reizvollste aus beiden Welten. Himmel und Hölle in einem Körper gefangen: Voilà, Alain Delon!

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Noch 1960 trat Delon auch in Luchino Viscontis Sozialdrama Rocco und seine Brüder auf. Neben der unwahrscheinlichen Ausstrahlung, über die er allein durch sein außerirdisches Aussehen verfügte, sorgte Delons eigenwillige Art abseits der Leinwand früh dafür, dass man ihm in einer solchen Rolle, ja überhaupt in der Haut eines jeden Charakters auf der Leinwand alles Mögliche zutraute. So konnte Delon Spannung selbst in die Geschichten einbringen, die nicht mit ebenso viel Spannung gesegnet waren, wie der Darsteller an Aura ins Werk einbrachte – Schönheit plus Selbstbewusstsein gleich Sex Appeal.

Derweil lechzte die Öffentlichkeit nach neuestem Klatsch aus seinem Privatleben, das jahrelang von einer Beziehung zur Kollegin Romy Schneider geprägt war. Die Gerüchteküche um Delon brodelte auch nach dem Split fleißig weiter, und als konservativer Mensch, den seine schwierige Kindheit in einer Pflegefamilie und die Zeit als junger Soldat im französischen "Indochina-Krieg" geprägt hatten, trat er in so manches Fettnäpfchen. Und mit der Zeit wurde es nicht besser. Was man ihm im Goldenen Zeitalter moderner Männlichkeit noch als tugendhaften Machismo durchgehen ließ, lässt sich heute so ausbuchstabieren: häusliche Gewalt, homophobe Positionen und große Nähe zur rechtsradikalen Partei Le Pens. Allerdings erwarb er sich zugleich durch seine Eskapaden, genauso wie dank vieler Rollen von gebrochenen Helden und Anti-Helden, den Ruf als ewiger Rebell. Wobei er sich eher wenig darum scherte, was andere über ihn dachten, rebellisch wie er war.

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So wie die Art von Männlichkeit, die er über Jahrzehnte verkörperte, längst aus der Zeit gefallen ist, führte Delon zuletzt das Dasein einer vergessenen Filmdiva. Angeblich nur mit ein paar Haustieren hatte er sich zurückgezogen und mied das Rampenlicht. Seinen letzten großen Filmauftritt verbuchte er 2008 in Asterix bei den Olympischen Spielen, als er ausgerechnet Julius Caesar spielte. Künstlerisch kann Delon auf eine Karriere zurückblicken, im Verlaufe derer er bei aller Konzentration auf den harten Gaunertypen große Vielseitigkeit unter Beweis stellen durfte. Unvergessen sind so unterschiedliche Filme wie Der Chef - Un Flic, Monsieur Klein, Liebe 1962, Vier im roten Kreis oder die Proust-Adaption Eine Liebe von Swann von Volker Schlöndorff. Bei ARTHAUS findet man außerdem noch zwei exzellente Thriller unter Alain Jessua im Programm: In Der Schocker aus dem Jahr 1973 gibt Delon einen dubiosen Arzt, dessen Luxus-Klinik ein furchtbarer Verdacht umweht. 1977 führt er als cooler Polizist in Jessuas Die letzte Warnung – der Erpresser ein spannendes Duell mit dem mediengeilen Psychopathen Armaguedon. Typisch erscheint Delons Performance in Der Sträfling und die Witwe nach Georges Simenon, weil man ihm auch die raueren Romanzen locker abkaufte.

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Eiskalt wie das Schweigen von 1974 wiederum zeigt Delon als gewieften Anwalt, der es mit einer Femme Fatale zu tun hat. Gespielt wird sie von Mireille Darc, mit der Delon im wahren Leben eine lange Freundschaft verband. Als sie 2017 verstarb, dürfte es um Alain Delon, den Charmeur von gestern und Provokateur von heute, in dessen Leben sich Eleganz am ehesten auf Ambivalenz reimte, noch etwas einsamer geworden sein.

WF

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