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Deutscher Filmpreis für Hanna Schygulla

Bei der Filmpreis-Verleihung 2024 im Theater am Potsdamer Platz wurde Hanna Schygulla mit dem Ehrenpreis für ihre herausragenden Verdienste um den deutschen Film ausgezeichnet.

06. Mai 2024

Hanna Schygulla ist in über hundert Filmen zu sehen, aber ihre wohl bekannteste Rolle spielte sie als eines der wichtigsten Mitglieder im festen Ensemble von Rainer Werner Fassbinder. Schygulla trat schon in frühen Fassbinder-Filmen wie Liebe ist kälter als der Tod auf, war Teil seiner Fernsehserie Acht Stunden sind kein Tag, brillierte an der Seite von Margit Carstensen in Die bitteren Tränen der Petra von Kant und blieb ihm bis in die Spätphase treu – mit Filmen wie Die dritte Generation, Die Ehe der Maria Braun oder Lili Marleen. Für Hanna Schygulla waren selten Nebenrollen reserviert, und so wurde sie eine vielbeschworene "Ikone" des deutschen Films der 1970er-Jahre, während Fassbinder selbst mit seinem dicht gedrängten Gesamtwerk diesem Jahrzehnt seinen Stempel aufdrückte und darin ein ganz eigenes Deutschland-Bild zeichnete, das nicht nur viele Cineasten heute mit der BRD aus dieser Epoche verbinden. Schygulla wurde zum Gesicht der Fassbinder-Ära.

In "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" © Studiocanal

In "Die bitteren Tränen der Petra von Kant" © Studiocanal

1974 glänzte Hanna Schygulla in Fontane Effi Briest, der Adaption jenes bahnbrechenden Gesellschaftsromans, der die Rolle der Frau im 19. Jahrhundert in den Mittelpunkt rückte, und so wie sich Schygulla als Frau im Mikrokosmos des nicht gerade umgänglichen Fassbinder behaupten musste, war sie prädestiniert für die Figur aus Theodor Fontanes Feder. Auch mit gesellschaftlicher Ächtung, die Effi nach dem Auffliegen ihrer Romanze durch den wesentlich älteren, gehörnten und mörderischen Ehemann erfahren muss, hatte Hanna Schygulla persönlich bereits in ihrer Kindheit Erfahrungen gemacht. Ihre Familie war nach dem Zweiten Weltkrieg aus Oberschlesien nach Bayern geflüchtet. Die Fremdheitserfahrung, das Gefühl, nicht willkommen zu sein, ist Hanna Schygulla stets präsent geblieben, wie sie des Öfteren erklärt hat – und jeder Funke Menschlichkeit ist ihr deshalb noch gut in Erinnerung, warm eingepackt in ihrer Seele. Aus tiefster Seele hat sie später Figuren wie Effi Briest verkörpert, stand auch für viele andere große Regisseur*innen des Neuen Deutschen Films wie Volker Schlöndorff, Margarethe von Trotta und Wim Wenders vor der Kamera, und sie hat sich längst nicht zur Ruhe gesetzt, zuletzt konnte man sie im Kino in Giorgos Lanthimos‘ Poor Things bewundern.

In "Die Ehe der Maria Braun" © Studiocanal

In "Die Ehe der Maria Braun" © Studiocanal

Am Wochenende erhielt sie in Berlin den Deutschen Filmpreis für ihre herausragende Verdienste um den deutschen Film – den sogenannten Ehrenpreis. In ihrer unterhaltsamen Dankesrede hinterfragte Schygulla, die heute zwischen ihren Wohnorten Berlin und Paris pendelt, Begriffe wie "Ehre" und "Ikone". Wir leben in Zeiten, in denen man Menschen ganz besonders gut zuhören sollte, die derart viel erlebt haben wie Hanna Schygulla und auch von den Konsequenzen faschistischer Herrschaft erzählen können. Sie mag ein Leben für den Film führen, aber das reale Leben hinter den Kulissen ist selbst schon wieder reif für eine Verfilmung. Wir gratulieren (und wo wir schon dabei sind, auch nachträglich zum 80. Geburtstag am 25. Dezember des vergangenen Jahres).

WF

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