Wunderkind des deutschen Films
Rainer Werner Fassbinder, der produktivste und vielseitigste Vertreter des Neuen Deutschen Films, war in erster Linie ein Rebell, beruflich wie privat. Zwischen 1966 und 1982 beendete er nicht weniger als 44 Inszenierungen, von denen die Mehrzahl die Entwicklung des deutschen wie auch des internationalen Films beeinflusst hat und gleichzeitig von manchen Kritikern als chauvinistisch, antikommunistisch und antisemitisch gebrandmarkt wurde. Zeit seines Lebens galt Fassbinder als Enfant terrible des Neuen Deutschen Films und war doch dessen entschiedenster Erzähler. Emotion und Kalkül, Wahrnehmungssensibilität und handwerkliche Perfektion – in diesem Spannungsfeld ist sein künstlerisches Werk verortet.
1945 in Bad Wörishofen geboren, wuchs Rainer Werner Fassbinder nach der Scheidung seiner Eltern bei seiner Mutter auf. Die Schule verließ er noch vor dem Abitur. Er nahm in München Schauspielunterricht und bewarb sich 1966 vergeblich an der neu gegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Mit den Kurzfilmen Der Stadtstreicher (1965) und Das kleine Chaos debütierte er 1966 als Regisseur, Autor und Darsteller und arbeitete ab 1967 beim „Action-Theater“, einer freien Schauspielgruppe in München. Nach seinem Spielfilmdebüt Liebe ist kälter als der Tod (1969) gelang Fassbinder 1969 mit Katzelmacher der künstlerische Durchbruch. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und wurde vom Feuilleton als „Wunderkind des deutschen Films“ gefeiert. Seine erstaunliche Produktivität erregte das Aufsehen von Kritik und Kollegen. Allein in den Jahren 1969/70 drehte Fassbinder neben seiner Theater- und Rundfunkarbeit zehn Kino-Produktionen und einen TV-Film.
Für seinen Film Angst essen Seele auf (1974), der auf dem Filmfestival von Cannes 1974 sowohl mit dem FIPRESCI-Preis als auch mit dem Preis der ökumenischen Jury geehrt wurde, ließ sich Fassbinder von den Filmen Douglas Sirks inspirieren. Dessen Filme und deren Hollywood-Melodramatik lieferten das strukturelle Vorbild, welches Fassbinder behutsam mit einer Betrachtung der deutschen Alltagsrealität verknüpft.
Die Literaturverfilmung Fontane – Effi Briest (1974) wurde einer der größten Publikumserfolge Fassbinders. Im Oktober 1977 beteiligte sich der Filmemacher an dem Gemeinschaftsprojekt Deutschland im Herbst. Mit Die Ehe der Maria Braun eröffnete Fassbinder 1979 eine Trilogie, in der Frauenschicksale im Zentrum der Erzählungen standen: Maria Braun emanzipiert sich im Nachkriegsdeutschland, Lola (1981) erzählt von einer Kleinstadt-Prostituierte in den fünfziger Jahren und Die Sehnsucht der Veronika Voss (1982) behandelt das Schicksal einer morphiumsüchtigen ehemaligen Schauspielerin. Nachdem Fassbinder bereits mehrfach für das Fernsehen gearbeitet hatte, verfilmte er 1979/80 Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz in 13 Folgen. Mit Querelle inszenierte er 1982 sein letztes Melodram, diesmal im homosexuellen Milieu nach einem Roman von Jean Genet. Im selben Jahr starb Fassbinder erst 37-jährig an Herzversagen in Folge von Drogenmissbrauch.
Querelle (1982)
Die Sehnsucht der Veronika Voss (1982)
Lola (1981)
Lili Marleen (1981)
Die dritte Generation (1979)
In einem Jahr mit 13 Monden (1978)
Die Ehe der Maria Braun (1978)
Despair (1978)
Deutschland im Herbst (1978)
Chinesisches Roulette (1976)
Satansbraten (1976)
Mutter Küsters' Fahrt zum Himmel (1975)
Faustrecht der Freiheit (1975)
Fontane Effi Briest (1974)
Martha (1974)
Angst essen Seele auf (1973)
Welt am Draht (1973)
Die bitteren Tränen der Petra von Kant (1972)
Händler der vier Jahreszeiten (1972)
Warnung vor einer heiligen Nutte (1971)
Whity (1971)
Der amerikanische Soldat (1970)
Warum läuft Herr R. Amok (1970)
Götter der Pest (1970)
Katzelmacher (1969)
Liebe ist kälter als der Tod (1969)