Als sich Mitte der Woche die Filmprominenz in Berlin zur Eröffnung der 72. Berlinale traf, wirkte das wie eine perfekte kleine Klammer innerhalb der deutsch-französischen Filmgeschichte. Das lag zum einen an François Ozon, von dem der Eröffnungsfilm Peter von Kant stammt. Ozon erklärte im Vorfeld: "Es ist mir ein großes Vergnügen und eine große Ehre nach Berlin zurückzukehren – eine Stadt, mit der ich nur schöne Erinnerungen verbinde – und das 22 Jahre, nachdem ich hier den Film Tropfen auf heiße Steine zeigen konnte, der ebenfalls eine Fassbinder-Adaption ist." Zum anderen lag es an jenem magischen Moment, als Hanna Schygulla zum ersten Mal auf der Leinwand zu sehen war. Sie spielte schon vor 50 Jahren in Die bitteren Tränen der Petra von Kant eine Hauptrolle – jenem Fassbilder-Film, den Ozon sich hier neu vorgenommen hat. Bei der Ozon-Premiere fehlte Schygulla leider auf dem Roten Teppich. Sie sagte der Berliner Zeitung im Vorfeld, sie käme aus Pandemie-Gründen nicht, weil: "auch wenn die Leute die Dreifachimpfung haben, können sie übertragen. Für jemanden wie mich ist das nichts."
Das filmische Vorbild Die bitteren Tränen der Petra von Kant gibt es gerade passenderweise auf unseren ARTHAUS+ Kanälen bei Amazon und bei Apple TV. Fassbinder verfilmte in dem Kammerspiel ein Theaterstück aus eigener Feder. Petra von Kant ist eine gefeierte Modeschöpferin und lebt mit ihrer Sekretärin in einer üppigen Bremer Wohnung. Von Kant verliebt sich in das junge Model Karin Thimm, das von Hanna Schygulla gespielt wird. Von Kant versucht die junge Frau durch berufliche Aufträge an sie zu binden und beginnt eine Beziehung mit ihr. Karin ist allerdings viel zu jung und zu abenteuerfreudig, um sich zu binden und wirft sich in zahlreiche Affären – außerdem hat sie einen im Ausland lebenden Ehemann, der im Laufe des Films nach Europa zurückkehrt und um Karin wirbt.
Szene aus Die bitteren Tränen der Petra von Kant © Kinowelt GmbH
Die bitteren Tränen der Petra von Kant gilt heute vielen als Klassiker, die Deutsche Film- und Medienbewertung FBW in Wiesbaden verlieh dem Film das Prädikat "besonders wertvoll." Aber trotzdem sorgte der Film 1972 – wo er übrigens auch im Rennen für den Goldenen Bären war – für gemischte Kritiken. So schrieb die "Süddeutsche Zeitung" nach der Premiere: "Frau von Kant verliert ihre Form, der Film hält seine." Und konstatiert: "Ein Sog entsteht, ein Schwindelgefühl, bis der Ernst und die Lächerlichkeit dieser Passionsgeschichte, bis der Kitsch und die Kunst daran sich nicht mehr klar unterscheiden lassen. Wieder einmal hat Fassbinder den sogenannten guten Geschmack kunstvoll aufs Kreuz gelegt." "Der Spiegel" wieder zum zeigte sich geradezu vernichtend: "Parodie? Nein, Kitsch wider Willen. An Drehbuchschwächen und Überforderung der Hauptdarstellerin scheitert der Versuch, Grunderkenntnisse über das Wesen der Frau durch gekünstelte Sprache als künstlerisch wertvoll zu verkaufen."
Regisseur und Cast in Feierlaune © Kinowelt GmbH
Die bitteren Tränen der Petra von Kant galt außerdem als Film, der vor allem vielen Frauen nicht gefiel. Der eh selten maulfaule Fassbinder sagte dazu 1973 in einem Interview mit Christian Braad Thomsen: "Ich betrachte eine Frau genau so kritisch wie einen Mann. (…) Frauen sind interessanter, denn auf der einen Seite sind sie unterdrückt, aber andererseits sind sie es nicht wirklich, weil sie diese ‚Unterdrückung‘ als Terrorinstrument benutzen. (…) Meine Filme sind für die Frauen, nicht gegen sie. Aber fast alle Frauen hassen Petra von Kant – jedenfalls die, die die Arten von Problemen haben, von denen der Film handelt, die das aber nicht zugeben wollen. Das kann ich nicht ändern. (…) Alles in allem finde ich das Verhalten der Frauen genau so schrecklich wie das Verhalten der Männer, und ich versuche, die Gründe dafür zu illustrieren und vor allem zu zeigen, daß wir fehlgeleitet werden durch unsere Erziehung und durch die Gesellschaft, in der wir leben. Meine Beschreibung dieser Verhältnisse ist nicht frauenfeindlich. Sie ist ehrlich…". Und, ehrlich gesagt, im Rückblick recht chauvinistisch. Trotzdem ist Die bitteren Tränen der Petra von Kant ein Film, der gerade wegen der Ozon-Verneigung heut interessanter denn je ist.
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