"Jetzt noch mal etwas gelassener mit den Zehen wackeln!" Diese oder eine ähnliche Regieanweisung kann man sich aus dem Mund von Quentin Tarantino bestens vorstellen, schließlich ist Tarantino DER Fußfetischist Hollywoods. Nicht nur der legendäre Monolog über Fußmassagen aus Pulp Fiction spricht Bände über diesen Spleen, in all seinen Filmen ist der Blick auf Fesseln, Fersen und Zehen gerichtet. Das Rinnsal Blut, das in Kill Bill über Lucy Lius weiße Strumpfhose fließt… lackierte Nägel, eingeölte Ballen, Scherben unter den Sohlen, Strümpfe aller Art, abgefahrenes Schuhwerk. Tarantino ist tatsächlich so was wie der "foot fuckin master". Und sagen Sie nicht, wegen seinen Filmen hätte es Ihnen noch nie die Schuhe ausgezogen! Machen Sie es sich also lieber gleich ohne die lästigen Treter bequem – auf dem Sofa oder im Kino, so wie Margot Robbie als Sharon Tate in Once Upon A Time in Hollywood.
Auch in "Jackie Brown" setzt Tarantino Füße ganz speziell in Szene…
Die Briten sind für ihre Spleenigkeit bekannt – da darf einer der Größten aus ihren Reihen keine Ausnahme machen. Natürlich, Alfred Hitchcock, der hatte doch diesen Blondinen-Fimmel! Doch haben wir uns einen anderen Tic des Meisters der Suspense ausgesucht, um ihn dieser Liste zu verewigen. Schließlich hatte Hitchcock die spezielle Angewohnheit, seine Filme mit Cameo-Auftritten als Statist zu beehren. Eine lustige Marotte, die er schon früh in seiner englischen Phase entwickelte, fürs erste jedoch nur sporadisch auslebte. Besonders ausgeprägt in Erpressung aus dem Jahr 1929, wo er 19 Sekunden lang zu sehen ist, wie er in der Londoner Underground liest und dabei von einem Jungen gestört wird. Mit Rebecca (1940) und seinem Gang nach Hollywood lebte er die gepflegte britische Exzentrik weitaus konsequenter aus. Insgesamt brachte Alfred Hitchcock es auf 39 Cameos in 52 Major-Produktionen. Kennen Sie alle?
Hitchcock kommt früh als Statist zum Zug – und nicht wirklich zum Lesen
Joel und Ethan Coen wurden mal bei einem Interview auf den österreichischen Regisseur Michael Haneke angesprochen. Ob ihnen aufgefallen sei, dass in dessen Filmen Türen eine entscheidende Rolle zukomme? Doch statt darauf zu antworten, schauten die Brüder sich nur an, als sei endlich der Moment gekommen, an dem eine uralte Wette entschieden werden könne und fragten den Journalisten: "Meinen Sie, dass Michael Haneke einen ganzen Schrank voller schwarzer Rollkragenpullover besitzt – oder immer ein und denselben trägt?" Der Schreiberling gestand, dass er darauf keine Antwort parat habe. Eigentlich wollte er doch nur überleiten zum Spleen der Coens, in deren Gesamtwerk Szenen mit Schreibtischen Konjunktur haben. Ihr Debüt Blood Simple ist eines der besten Beispiele, Inside Llewyn Davis macht keine Ausnahme. Dazu hatten sie aber nichts zu sagen. Tja, die eigene Macke ist einem ja oft nicht bewusst.
Am Schreibtisch eingeschlafen – oder ist es vielleicht doch was Ernsteres?
Wo sollen wir anfangen? Rainer Werner Fassbinder gilt als Verkörperung des Ex- und Egozentrischen, wenn wir von deutschen Regisseuren sprechen – und es ist nicht das gemeint, was ein Til Schweiger diesbezüglich zu bieten hat. Zu Fassbinders heftigen Schrullen gehörte es, seine Mutter in Rollen zu besetzen, die ihr fast schon körperliche Schmerzen bereiten mussten. So durfte Liselotte "Lilo" Eder, die im Werk des Sohnes unter dem Mädchennamen Pempeit über 20 Auftritte verzeichnete, in dem Spielfilm Die dritte Generation (1979) die Mutter eines Terroristen verkörpern. Und zwar nachdem sie die Mutterrolle im ersten Beitrag Fassbinders zur RAF-Diskussion, seinem Teil des Episodenfilms Deutschland im Herbst (1978), noch ganz anders hatte interpretieren müssen. Da diente sie ihrem Sohn als echte Vertreterin jenes Konformismus, den Fassbinder vehement attackierte. Harter Generationenkonflikt und dicke Blutsbande. Von Fassbinders Hang zu trivialpoetischen Filmtiteln dann ein anderes Mal…
Die große Lilo Pempeit mit der großen Hanna Schygulla in "Effie Briest"
Zugegeben, im Falle Margarethe von Trottas von einem Spleen zu reden, trifft die Sache nicht wirklich. Ihre Konzentration auf Frauenfiguren ist natürlich den großen gesellschaftlichen Zusammenhängen sowie den engeren Umständen im Kulturbetrieb geschuldet – den Flausen der Männerwelt, wenn Sie so wollen. Eine Frau, die Schicksale von Frauen als Filmregisseurin erzählt? Von Trotta und viele andere Regisseurinnen mussten sich ihren eigenen und den Platz für ihre Geschichten erst erkämpfen. Den Anfang macht von Trotta noch gemeinsam mit Volker Schlöndorff. 1975 verfilmten die beiden Die verlorene Ehre der Katharina Blum. In ihren folgenden Frauenfilmen, wie etwa Die bleierne Zeit (1981) oder Rosa Luxemburg (1986), fand sie mit Barbara Sukova die passende Darstellerin ihrer Heldinnen, mit der sie viele weitere Filme realisierte – zuletzt 2012 und 2015 Hannah Arendt und Die abhandene Welt.
Barbara Sukova wachsen im Werk Margarethe von Trottas Flügel. Hier in "Die bleierne Zeit"
WF