Der Spielfilm von Rainer Werner Fassbinder stammt aus dem Jahr 1979 – als in der Öffentlichkeit noch nicht mal die Rede von einer dritten RAF-Generation war, der die kürzlich in Berlin festgenommene Daniela Klette zugerechnet wird. Fassbinders bitterböse Satire ist viel näher an der Realität als man damals dachte.
Alles nur Zirkus? © Filmverlag der Autoren/ Tango Film
In der Heinrich-Böll-Verfilmung von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta geht es nicht direkt um die RAF. Jedoch war die Erzählung Bölls mit dem Untertitel "Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann" eine direkte Reaktion auf eine Kampagne der Bild-Zeitung gewesen. Diese hatte den Nobelpreisträger nach dessen Vorschlag zur Deeskalation des Konflikts zwischen RAF und Staat in die Nähe der Terroristen gerückt.
Im medialen Kugelhagel © Studiocanal
Margarethe von Trotta lehnte ihr Drama an die wahre Geschichte der Ensslin-Schwestern an. Gudrun Ensslin gehörte zu den Gründer:innen der RAF und kam 1977 beim Selbstmord der Gefangenen in der JVA Stuttgart-Stammheim ums Leben. Von Trottas Film erzählt fesselnd und empathisch die Geschichte ihrer Radikalisierung und gleichzeitig die zärtliche Geschichte der Schwestern.
Knastalltag statt Utopie © Studiocanal
Das gleichnamige Sachbuch des Journalisten Stefan Aust gilt als Standardwerk zum Thema. In dem historischen Polit-Thriller von Uli Edel (Wir Kinder vom Bahnhof Zoo) aus dem Jahr 2008 mischt sich der Ursprungsmythos der "Baader-Meinhof-Bande"/Rote Armee Fraktion mit den geschichtlichen Hintergründen. Was war der zündende Funke im Generationenkonflikt der 1960er Jahre, der in der Bundesrepublik Deutschland bald gewaltsam eskalierte? Hochspannend, auch weil das Who is Who der RAF auf das Who is Who der deutschen Schauspieler:innen-Elite der Nullerjahre trifft.
Der Biogenetiker Berthold Hoffmann (Bruno Ganz) wird während der Polizeiaktion angeschossen – und verliert neben motorischen Fähigkeiten außerdem sein Gedächtnis. Es stellen sich existenzielle Probleme: Wenn dieser Hoffmann gar kein Militanter war, wird er durch die Beschuldigungen nicht zu einem gemacht? Denkt Hoffmann nicht sogar, dass er radikaler hätte leben sollen, so wie man jetzt mit ihm umspringt, beziehungsweise: nun, da die Demokratie ihr wahres Gesicht zeigt? Regisseur Reinhard Hauff, der später auch die Gerichtsprotokolle aus Stammheim verfilmte, wirft Fragen auf, die das damalige gesellschaftliche Klima erst provozierte: War die BRD auf dem Weg zum Polizeistaat? Welches ist das wahre Gesicht des verdächtigen Subjekts?
Oscar-verdächtig: Bruno Ganz © Studiocanal
Und noch ein filmischer Beitrag, der zeigt, wie sehr die drastischen Aktionen der Terroristen in den 1970er Jahren auch den tendenziell linken Kulturbetrieb berührten. Der Episodenfilm versucht eine Einmischung in den politischen Diskurs, der Rainer Werner Fassbinder in der Auseinandersetzung mit der eigenen Mutter am eindringlichsten gelingt. Historisch wertvoll.
Hochzeit der Gewalt © 1977 Filmverlag der Autoren/ Pro-ject Filmproduktion/ ABS Filmproduktion/ Tango Film/ Hallelujah Films/ Kairos Film/ ERF Edgar Reitz Filmproduktions GmbH. Alle Rechte vorbehalten.
Regisseur Christian Petzold setzte sich mit dem RAF-Gespenst auseinander, als die sich aus dem kollektiven Gedächtnis allmählich verflüchtigende, aber in Teilen noch flüchtige Gruppierung tatsächlich zu einer Art Spukgestalt wandelte. Unsichtbar aber doch latent präsent. Die fiktionale Geschichte um RAF-Terroristen mit gefaketer bürgerlicher Existenz aus dem Jahr 2000 offenbart ähnlich wie Fassbinders "Die dritte Generation" ebenfalls geisterhafte Bezüge zur Gegenwart. Das Paar mit Kind plant eine Flucht nach Brasilien, wohin es auch die Capoiera tanzende RAF-Rentnerin Daniela Klette zog.
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WF