Was ich bin, sind meine Filme lautet der Titel eines der drei Dokumentarfilme aus den Extras unserer Klaus Kinski Werner Herzog Edition. Neben Mein liebster Feind und Die Last der Träume dürfte es auf den ersten Blick der unscheinbarste sein. Aber er hat es in sich! Im Mittelpunkt steht ein Gespräch des Regisseurs mit Laurens Straub, das in vielsagender Kulisse so introspektiv wie unterhaltsam zwischen 1970er-Jahre-Talkshow-Flair, psychoanalytischer Sitzung und geradezu absurder Beichtstunde pendelt. Herzog erscheint einerseits geschmeichelt, andererseits bedroht von den Fragen, die Antworten sind dementsprechend charming – auf die für ihn so typisch passiv-aggressive Weise spricht er über Leben und Werk. Für Herzog ist das nicht voneinander zu trennen, und die Filmemacher Christian Weisenborn und Erwin Keusch geben ihm Recht, indem sie auch mal Filmausschnitte für sich stehen lassen, bevor Herzog weiterredet. Toll, wie Straub ihm zuhört, dabei die Zigarette zum Anzünden bereit hält aber klug den rechten Moment abpasst, um sie tatsächlich anzustecken. Neben Herzogs Geständnis, dass er beinahe seinen Bruder ermordet hätte und Erzählungen aus wilden Jahren als jugendlicher Herumtreiber, fasziniert ein Wortwechsel hinter den Kulissen der Dreharbeiten zu Stroszek. Da fordert Herzog den Schauspieler und Boxer Norbert Grupe zu einem Faustkampf auf, der letztlich aber wohl leider nie stattfand. In den gut 90 Minuten lernen wir außerdem, dass Werner Herzog schon als Kind Gott begegnet ist, der damals einen braunen Overall trug, und dass Lebensversicherungen in seinen Augen unsere Zivilisation bedrohen. Später drehte er Fitzcarraldo…
Erst traf Herzog Gott, dann Klaus Kinski
Es ist hinlänglich bekannt, dass Rainer Werner Fassbinder sich im Leben und auf Arbeit nie geschont hat – und dass er auch seine Crews und Ensembles schonungslos im Sinne seines künstlerischen Ideals behandelte. Fassbinders Credo "Schlafen kann ich, wenn ich tot bin" ist legendär und wurde bereits arg oft zitiert. Mit 35 Jahren hatte er 35 Filme realisiert, bevor er sich 1980 an die Erfüllung eines lang gehegten Wunsches machte (und bei ihm waren Wünsche zugleich auch Pläne, die irgendwann umgesetzt wurden): die Verfilmung von Alfred Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz". Die Geschichte um den ehemaligen Häftling Franz Biberkopf, der 1928 freikommt und ein unbescholtenes Leben führen möchte. Döblin lässt seinen Helden nicht zur Ruhe kommen. Erstens ist Ehrbarkeit nicht so einfach, zweitens herrschen turbulente Zeiten. Wenn man bedenkt, wie Fassbinder damals brannte, und welcher Ruf ihm nacheilt, seit er nur zwei Jahre später aus dem Leben schied, so wirkt er in Hans-Dieter Hartls 45-minütiger Doku Berlin Alexanderplatz – Beobachtungen bei den Dreharbeiten, Teil der Komplettbox mit der Remastered Edition der Serie, verdammt aufgeräumt und umgänglich. Natürlich ist er hier und da nicht zufrieden mit einem Take, weil im Gewusel der zig Statisten und durch die Kulissen rollenden Oldtimer irgendeiner immer zu spät kommt oder zu früh bremst oder alles einfach „keinen Sinn“ macht. Aber Fassbinder muss das Skript zur Adaption wohl schlafwandlerisch verfasst und dabei jede Einstellung bis ins letzte Detail bereits erträumt und festgelegt haben. Es läuft. Wunderbar außerdem der unvergessene Fassbinder-Spätphasen-Look, in dem er jeder Krisensituation trotz, um das Mammutprojekt wahr werden zu lassen: Wampe, Hut, Brille. Und fast immer eine Kippe zwischen den Fingern.
Günter Lamprecht als Biberkopf in "Berlin Alexanderplatz"
Beim Artist Talk mit Francis Ford Coppola gesteht Steven Soderbergh, er habe Apocalypse Now 1979 nicht nur einmal gesehen. Gleich 17 weitere Aufführungen habe er in dem Provinzkino seines Heimatkaffs beigewohnt. Man kann davon ausgehen, dass Soderbergh, selbst Regisseur exquisiterer Hollywood-Filmkunst wie Solaris oder Out Of Sight, bis heute noch etliche Reisen mehr zu Colonel Kurtz ins „Herz der Finsternis“ unternommen hat. Es scheint eine wahre Fan-Obsession mit Coppolas eigenwilliger Joseph-Conrad-Adaption zu geben, was daran liegen könnte, dass sie das Erzählen vom Vietnamkrieg durch ein Erleben des Vietnamkriegs zu ersetzen versucht. Die ewige Bewunderung für Coppolas Bereitschaft, die eigene Existenz im Sinne der Realisation des Filmvorhabens aufs Spiel zu setzen, steht Moderator Soderbergh beim Q&A ins Gesicht geschrieben. Das Gespräch ist auf der Sonderedition von Apocalypse Now – The Final Cut enthalten – also jener Version, die vermutlich den Schlusspunkt von Coppolas eigener Besessenheit vom Material bildet, das während der ausufernden Dreharbeiten auf den Philippinen entstand. Man könnte sagen, sie ist das i-Tüpfelchen eines irren Perfektionismus und Selbstinszenierungsritus, der schon zur Redux-Variante führte. Ähnlich wie der Vietnamkrieg selbst, wurden nämlich auch die Dreharbeiten so ausführlich dokumentiert wie jeweils kein vergleichbares Ereignis. Eleanor Coppolas Footage bildet die Essenz von Hearts Of Darkness – A Filmmaker`s Apocalypse. Dieser Blick hinter die Kulissen kommt einem echt vor wie der Trip in eine vollkommen andere Zivilisation. Und es wird letztlich das ganze Ausmaß des kompletten Wahnsinns deutlich, der Apocalypse Now fast unmöglich gemacht hätte – aber Coppolas Opus magnum letztlich überhaupt erst entstehen ließ.
Marlon Brando verleiht dem Wahnsinn in "Apocalypse Now" Gestalt
WF