1. Nosferatus Geheimnis
Wer ist Graf Orlok, und was bedeutet Nosferatu? Die Namen gehen auf Friedrich Wilhelm Murnaus Film von 1922 zurück und meiden wegen Urheberrechtfragen den direkten "Dracula"-Bezug nach Bram Stoker. Nosferatu bedeutet angeblich in rumänischer Mundart Vampir.
2. Kampf um Rechte
Bram Stokers Witwe Florence ließ trotz dieser Verfremdungen Kopien des Murnau-Meisterwerks vernichten. Mit der Zeit kursierten aber immer mehr verschiedene Schnittversionen. Der Film entpuppte sich wie sein Held als Untoter. Die Copyrightfrage ist auch noch lebendig, also bis heute ungeklärt. Aber ist nicht jeder Film auch eine Raubkopie der Wirklichkeit?
3. Stoker, Murnau, Herzog
Eggers betonte, er habe sich weniger am "Dracula"-Roman orientiert als an den Filmen von Murnau und Herzog. Herzog verstand seine Version aus dem Jahr 1979 mit Klaus Kinski in der Hauptrolle des melancholischen Vampirs als Hommage an Murnau. Im Gegensatz zu Eggers benutzte er die Namen der Figuren aus Bram Stokers Feder.
4. Ewige Treue
Für Eggers geht nach 10-jähriger Arbeit ein Jugendtraum in Erfüllung. Zuvor war er mit modernem Hooror/Fantasy wie The Northman oder The Lighthouse bekannt geworden. Er nennt seine filmische Herangehensweise weder Remake noch Hommage, sondern Reimagening. Obwohl er von Murnau und Herzog inhaltlich nur in Nuancen abweicht, ist seine Neukonzipierung des bekannten Stoffs doch etwas blutiger geraten. Und sein Graf Orlok spricht tatsächlich dakisch.
5. Blutige Dreharbeiten
Blutig an der Herzog-Fassung waren am ehesten die Dreharbeiten. Da der Aspekt der Seuche hier in den Vordergrund rückte, setzte Herzog tausende Ratten ins Bild, die ihn hinter den Kulissen gerne mal bissen … Klingt fast so, als wären die wuseligen Statisten mit Klaus Kinski im Bunde gewesen.
Unsterblich: Klaus Kinski als Nosferatu © Studiocanal
6. Typische Hauer
Für die scharfen Schneidezähne Kinskis orientierte sich Werner Herzog an der Erscheinung Max Schrecks als Nosferatu. Wir erinnern uns: Der ursprüngliche Graf Dracula hat spitze Eckzähne. Bei Eggers trägt Bill Skarsgård einen monströsen Schnörres. Darüber hinaus ist er weder charmant, noch besessen oder wild – er ist einfach nur schrecklich.
7. Ellens Phantasien
Die größte Abweichung von Herzog, Murnau und "Dracula"-Interpreten wie Francis Ford Coppola oder Mario Bava erlaubt sich Eggers jedoch in der Gewichtung der Charaktere. Für ihn ist die von Lily-Rose Depp gespielte Ellen Hutter samt ihren sexuellen Phantasien und inneren Revolten die Hauptfigur. Ihr Blut ist verbotenerweise in Wallung. Aber wer möchte auch schon mit einem Immobilienmakler verheiratet sein?
8. Literarischer (S)Exkurs
Bei Murnau sprach die Kritik von "traumatischer Kompensation der in der bürgerlichen Gesellschaft untersagten Sexualität", Lily-Rose Depp las auf Bitten Eggers‘ eine Geschichte von Remy de Gourmont aus dem 19. Jahrhundert, um Ellens Erweckungserfahrung nachzuvollziehen und sich für ihre Performance inspirieren zu lassen.
9. Old Nobody
Die Hamburger Schule-Band Blumfeld bediente sich für die Figur des "Old Nobody" auf dem so betitelten Album bei Nosferatu. Kinskis "tausend Nächte tiefe" Finsternis dichtete Sänger Jochen Distelmeyer in ein "tausend Tränen tiefes" Lied um. Dass es sich um "ein Lied von zwei Menschen" handelt, dürfte Murnaus Sonnenaufgang – Lied von zwei Menschen geschuldet sein. Good old Zitat-Pop.
10. Der lange Schatten der Referenzen
Murnaus Schattenspiele genießt man am besten im Kino mit Live-Begleitung. Für den Score zu Werner Herzogs Nosferatu – Phantom der Nacht zeichnet der Experimentalrocker Florian Fricke verantwortlich. Nach den Streicher-Ergüssen in Eggers Pflockbuster ist man reif für E. Elias Merhiges Shadow Of The Vampire. Da durfte Willem Dafoe noch in der Hauptrolle ran, für Eggers gibt er den Prof. Albin Eberhart von Franz, auch bekannt als Abraham van Helsing.
Florence Stoker würde sich im Grabe umdrehen …
WF