Udo Kier kann auf eine ungewöhnliche Karriere zurückblicken – und wer es ihm gleichtun will, bekommt derzeit in Kiers Heimatstadt Köln die Möglichkeit dazu. Der Kölnische Kunstverein widmet dem mittlerweile 80-jährigen Hollywood-Star eine Ausstellung über nichts Geringeres als sein Leben. Der Titel lautet kurz und knapp "Udo is Love" und bezieht sich auf eine Postkarte des bildenden Künstlers Sigmar Polke, der mit diesem Kompliment versöhnliche Töne nach einer Auseinandersetzung mit Kier anschlagen wollte.
Gestritten wurde sicher viel in den alten Zeiten in Kölle, wo Udo Kier im Bombenhagel der Alliierten am 14. Oktober 1944 geboren wurde; wo er aufwuchs und lebte, bevor er mit 50 nach Los Angeles umzog. Aber neben Diskussionen zwischen Individualisten wie ihm und dem Künstler Sigmar Polke, Kumpel Marcel Odenbach sowie dem Regisseur Rainer Werner Fassbinder – alles Leute, mit denen Kier damals abhing –, wurde zusammen auch das gute Leben zelebriert, etwa beim "Italiener" oder in einer Künstlerkolonie. Die rheinische Karnevalsmetropole Köln war einst eine Hochburg der Kunstszene.
"Die dritte Generation" © 1979 Filmverlag der Autoren, Project Filmproduktion, Tango Film. Alle Rechte vorbehalten.
Udo Kier arbeitete mit den größten Regisseuren zusammen, segnete schon die Warhol-Filme von Paul Morrissey in den Rollen von Dracula und Frankenstein mit seiner Aura, nachdem er zuvor in einigen wilden Exploitation-Streifen aufgetaucht war. Das Auf- und Untertauchen in den Filmen ist tatsächlich ein Markenzeichen Kiers, der später nur noch selten mal die Hauptrolle übernahm. Kier ist eher eine Erscheinung, weniger ein Schauspieler – selbst mit Kurzauftritten vermag er alles zu überstrahlen. Aber ohne darstellerisches Handwerk wäre er selbst mit seinem markanten Gesicht samt den unwiderstehlich leuchtenden Augen in Hollywood nicht so weit gekommen, dass sogar Game-Design-Ikone Hideo Kojima einen Udo-Kier-Avatar kreierte – der nun die Ausstellung bereichert.
Nicht nur Hollywood, auch der deutsche Film weiß Udo Kier zu schätzen. Mit Fassbinder arbeitete Kier in dem heute als visionär zu betrachtenden RAF-Film Die dritte Generation zusammen – der entstand, als es offiziell noch gar keine dritte Generation der terroristischen Vereinigung gab. Enger verbunden war Udo Kier mit anderen Regie-Größen wie Gus Van Sant, Lars von Trier und vor allem mit Christoph Schlingensief. Aber Udo ist nicht nur Liebe (auch wenn er meist den Bösewicht mimt), er ist vor allem überall zu finden – über 200 Filme finden sich in seiner Filmografie.
Dank seiner unnahbaren Art, die er im persönlichen Gespräch als gebürtiger Rheinländer durchaus schnell abzulegen imstande ist, und auch dank der geradezu außerweltlich aristokratischen Grandezza inklusive dem gewissen finsteren Potenzial der kriminellen Energie, wirkt er wie geschaffen für die Rolle eines Papstes, den er in der Serie Borgia als Innozenz VIII verkörpert. Auf unserem YouTube-Channel kann man ihn in Werner Herzogs Thriller My Son, My Son, What Have Ye Done bewundern.
Je intensiver man sich mit Udo Kier beschäftigt, desto mehr verfestigt sich das Bild eines Gesamtkunstwerks, das längst noch nicht vollendet ist. Wir wünschen alles Gute zum 80. Geburtstag, empfehlen eine Reise nach Köln und dazu viele Stunden vor der Leinwand oder im Heimkino, um das Kunstwerk Udo Kier in all seinen Facetten auf sich wirken zu lassen.
WF