Als Katharine Hepburn 1991 in ihrer Autobiographie "Ich" die Geschichten ihres Lebens Revue passieren ließ, widmete sie ihrem vielleicht populärsten Film nur zwei Seiten. Schließlich hatte sie erst drei Jahre zuvor ein ganzes Buch über dessen turbulente Dreharbeiten geschrieben, auf deren abenteuerliche Umstände schon der Titel einen deutlichen Vorgeschmack gibt: "African Queen oder Wie ich mit Bogart, Bacall und Huston nach Afrika fuhr und beinahe den Verstand verlor." Nun aber schien sie sich alle aufgestaute Aufregung von der Seele geschrieben zu haben und blickte mit Milde auf ihre Afrika-Reise von 1950 zurück. Keine Rede mehr von der schweren Magen-Darm-Infektion, die sie durch verseuchtes Mineralwasser zugezogen und dabei zehn Kilo verloren hatte und die schließlich in einem britischen Krankenhaus behandelt werden musste. Und verziehen war auch die Unberechenbarkeit eines Abenteurers im Regiestuhl namens John Huston, der, anstatt der perfektionistischen Schauspielerin ein fertiges Drehbuch zu liefern, lieber unangekündigt auf Safaris verschwand (Clint Eastwood ließ sich später davon zu seinem Film White Hunter, Black Heart (Weißer Jäger, schwarzes Herz, (1990) inspirieren. Dafür hatte Huston ihr ja einen unvergesslichen Filmpartner beschert: "Bogie war die Belohnung. Und das Publikum strömt immer noch in Scharen. Was will man mehr?"
So ist es bis heute geblieben, nur wenige Filmklassiker sind nach fast einem dreiviertel Jahrhundert so jung geblieben wie African Queen. Und das mag gerade an den damals unerhörten Produktionsbedingungen liegen. Für Außenaufnahmen tatsächlich nach Afrika zu reisen – Uganda und der Kongo "spielen" das koloniale Deutsch-Ostafrika – war damals äußerst ungewöhnlich. Schließlich mussten die schweren Dreistreifen-Technicolor-Kameras mitgeführt werden. Mit ihnen fing der legendäre britische Kameramann Jack Cardiff (Der Dieb von Bagdad) ein impressionistisches Farbspektrum ein, das erst in der vorliegenden Restaurierung ganz zur Geltung kommt. Hierfür wurden 2009 die originalen Negative in 4K digitalisiert. Dass die Farben nichts von ihrem Glanz verloren haben, liegt am speziellen Technicolor-Prozess, bei dem drei schwarzweiße Filmstreifen durch spezielle Farbfilter belichtet werden, aus denen erst im Nachhinein ein Farbbild kombiniert wird. Und Schwarzweißfilm lässt sich bei idealen Bedingungen, anders als die meisten Farbfilme, auch über sehr lange Zeiträume unbeschadet lagern.
Alle Aufnahmen, in denen Hepburn und Bogart im Wasser agieren, wurden allerdings aus Sicherheitsgründen – ebenso wie die Innenaufnahmen – im Anschluss an die afrikanische Expedition in den Worton Hall Studios im britischen Islewood gedreht. Die Schnittstellen sind kaum erkennbar, auch das ist ungewöhnlich für das Jahr 1950 – wenn man bedenkt, dass selbst ein Perfektionist wie Alfred Hitchcock noch bis weit in die Sechziger Jahre deutlich erkennbare Rückprojektionen einsetzte ohne dafür Kritik befürchten zu müssen. Dieser ästhetische Realismus, geboren aus einem Filmemacher-Ethos als Abenteurertum, fand in den 1970er Jahren erfolgreich Nachfolger bei den Regisseuren Werner Herzog (Aguirre, Fitzcarraldo) und Francis Ford Coppola (Apocalypse Now)
Bogart und Hepburn in der Originalversion von 1951 © Masheter Movie Archive / Alamy Stock Phot
Natürlich ist die Ästhetik nicht das Einzige, was diesen Filmklassiker so jung gehalten hat. Rassistische Stereotype, die noch 1950 im Hollywoodkino alltäglich waren, sind nicht auszumachen. Anzumerken ist allerdings, dass alle tragenden Rollen Weiße repräsentieren, Afrikaner kommen nur als Kleindarsteller vor. Auch wird der Kolonialismus nicht grundsätzlich problematisiert, lediglich die deutschen Soldaten begehen Verbrechen an der einheimischen Bevölkerung.
Ungewöhnlich progressiv zeigen sich John Huston und das prominente Autorentrio (neben dem bedeutenden Schrifsteller und Essayisten James Agee sind das der aus Deutschland geflohene jüdische Autor Peter Viertel sowie der britische Erzähler von Kurzgeschichten, John Collier) in anderer Hinsicht: Im Jahr 1950 konnte schon das Zusammensein eines unverheirateten Paares auf einem Boot Anstoß erregen und als Verstoß gegen den seit 1934 bestehenden Selbstzensur-Code der amerikanischen Filmindustrieangesehen werden.
Die Initiative zu diesem Film ging von dem damals noch relativ unbekannten, polnischen Produzenten Sam Spiegel aus, der vor 1933 in der deutschen und österreichischen Filmindustrie tätig gewesen war. Später mit drei Oscars® in der Kategorie Bester Film für so klassische Werke wie On the Waterfront (Die Faust im Nacken), The Bridge on the River Kwai (Die Brücke am Kwai) und Lawrence of Arabia (Lawrence von Arabien) geehrt, benutzte er damals noch das Pseudonym "S. P. Eagle", was Katharine Hepburn ausgesprochen amüsierte. Mit der Übersendung der fünfzehn Jahre zuvor erschienenen Romanvorlage von C. S. Forester gewann er sie sofort. Und mit einem solchen Star buchstäblich "im Boot", konnte er nun auch auf einen ähnlich hochkarätigen männlichen Hauptdarsteller hoffen.
Charlie Alnut (Humphrey Bogart) küsst Rose Sayer (Katherine Hepburn) © ITV Global Entertainmen
Lange hatte man nach einem britischen Schauspieler gesucht, doch sobald der Vorschlag Humphrey Bogart im Raum stand, verblassten die anderen Kandidaten wie James Mason oder David Niven. Kurzerhand machte man aus der Figur einen Kanadier, um Bogarts amerikanischen Akzent zu rechtfertigen. Die radikalere Veränderung gegenüber der Romanvorlage aber betraf die Darstellung der Deutschen.
Die frische Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hatte auch die Sicht auf den Ersten Weltkrieg dramatisch verändert, den man im angelsächsischen Raum noch vielfach als vermeidbare Tragödie verklärte. So waren auch die Deutschen im Roman eher Gegenspieler als Feinde, was sich nun in der Filmadaption radikal veränderte. Nach der Fertigstellung des Films allerdings stellten die negativen Darstellungen der deutschen Militärs die Produzenten vor unerwartete Probleme: Unter Kanzler Konrad Adenauer bekämpfte eine wirtschaftlich und politisch um Anerkennung strebende Bundesrepublik mit großem Einsatz negative Deutschlandbilder im Kino.
Wer in Deutschland amerikanische Filmklassiker zu kennen glaubt, kennt sie nicht immer wirklich. In den meisten Fällen wurden einzelne Szenen aus den deutschen Verleihfassungen herausgeschnitten. Dafür war meist weniger die Willkür einer Behörde, der Filmselbstkontrolle FSK, verantwortlich als das vorauseielende Betreiben kommerziell motivierter Verleiher – denn negative Bilder von Landsleuten versprachen auch kein gutes Geschäft beim deutschen Publikum. Manchmal führte das zu radikalen Veränderungen, bekannte Beispiele unter den großen Klassikern sind die um ihre Nazi-Schurken bereinigten Thriller Casablanca und Notorious (Weißes Gift). Die Veränderungen waren hier so entstellend, dass sie in Deutschland erst zu anerkannten Klassikern gezählt wurden, nachdem sie das Fernsehen in vollständigen Neusynchronisationen gezeigt hatte.
Rose Sayer (Katherine Hepburn) unter dem Himmel Afrikas, wo die Dreharbeiten tatsächlich stattfanden. © ITV Global Entertainment
Den Erfolg von African Queen, dieser hinreißend verzögerten Romanze während einer hochdramatischen Flussfahrt im Kriegsjahr 1914, konnten die Veränderungen in Deutschland allerdings nicht bremsen. Sie ist in Deutschland heute kaum weniger beliebt als in den USA, wo sie 1952 für vier Oscars® nominiert wurde (gewonnen hat nur Humphrey Bogart). Doch die Fassung, die am 28. August 1958 schließlich in deutsche Kinos kam, hatte – anders als ihr todesmutiges Held:innenpaar – mehr als nur ein paar Blessuren davongetragen.
Als zur Kino-Wiederaufführung von Studiocanal 2022, die auf 300 Leinwänden gefeiert wurde, endlich eine FSK-Freigabe der ungekürzten Originalfassung vorlag, durfte sich auch ein kurioses Kapitel Filmgeschichte endlich schließen. "Frei ab 6 Jahren" heißt es seither, ohne Wenn und Aber – ganz anders als die Wiesbadener Behörde am 23.3.1952 urteilte. Der Film wurde zunächst – und für Jahre – überhaupt nicht freigegeben, "da er geeignet sei, nationalistische Tendenzen zu fördern und die Beziehungen Deutschlands zu anderen Staaten zu gefährden." In ihrem Bezug auf die "FSK-Grundsätze" A II b) und c) in der Fassung vom 25.8.1951 stellte die "Filmselbstkontrolle" allerdings jede vernünftige Lesart auf den Kopf.
Tatsächlich basiert die Geschichte um den mutigen Einsatz des patriotischen Paars, das den titelgebenden Kahn im damaligen Deutsch-Ostafrika als Torpedo gegen ein deutsches Kriegsschiff lenkt, auf einer wahren Begebenheit. Der exzentrische britische Korvettenkapitän Spicer Simson bekam 1915 den Auftrag, die deutsche Vorherrschaft auf dem Tanganjikasee zu brechen. Kein deutscher Nationalismus störte also die Zensoren, eher schon trieb er sie an. Ihre Sorge: Der Film könnte dem Ansehen des damaligen Deutschlands durch die Darstellung seiner Vergangenheit Schaden zu fügen.
Rose Sayer (Katherine Hepburn) und Charlie Alnut in ruhigeren Gewässern. © ITV Global Entertainment
In der Originalfassung überfallen deutsche Soldaten ein Dorf, um Einheimische zwangsweise zu rekrutieren. Den Überfall deklarieren sie als Strafexpedition. In der erst 1958 freigegebenen Fassung sind keine deutschen Soldaten in dieser Szene mehr zu sehen. Ebenso bei einem späteren deutschen Angriff auf das Boot, die "African Queen". Außerdem fehlt in der letzten Sequenz, in der das Paar auf einem deutschen Kriegsschiff verhört wird, die Verurteilung zum Tod durch Erhängen. Der Ablehnung durch die FSK folgte, wie die Zeitschrift "Variety" im August 1952 berichtete, ein Appell des deutschen Filmwirtschaftsverbandes an die Berliner Filmfestspiele, den Film dort nicht zu zeigen. Er lief dann schließlich stattdessen in Locarno – wo er prompt auf den Zorn deutscher Journalisten traf.
Der Filmwissenschaftler Joseph Garncarz, der den FSK-Fall bereits 1990 in seiner Kölner Dissertation "Filmfassungen – eine Theorie signifikanter Filmvariation" darlegte, stellte bei Durchsicht der Akten fest, dass die Produktionsfirma Horizon Pictures den Film selbst für die Wiedervorlage bei der FSK um die vermeintlich "deutschfeindliche" Tendenz bereinigte. Das Bild der eifrigen Zensoren mit der Schere stimmte also nicht. Es war der vorauseilende Gehorsam der Produzenten, der die schweren Eingriffe in den Film umsetzte. Kein geringerer als der Produzent selbst, Sam Spiegel, schrieb am 10.12.1954 der FSK, "dass wir ab sofort bei allen weiteren Verkäufen den Film in der ganzen Welt, also nicht nur in Deutschland, nur noch in der Fassung verkaufen werden, wie sie der deutschen Filmprüfstelle vorgelegt und von dieser für die Vorführung im Bundesgebiet einschließlich West- Berlin freigegeben worden ist." Tatsächlich wurde dann zukünftig weltweit zwar nicht die endgültig freigegebene, aber die vom Verleiher speziell für die FSK-Vorstellungen zugeschnittene Fassung eingesetzt.
Rose Sayer (Katherine Hepburn) in einem Moment der Andacht. © ITV Global Entertainment
Der Fall bewegte bereits damals die deutsche Filmpresse. Die Zeitschrift "Der neue Film" zitiert Spiegel, der einst vor den Nationalsozialisten aus Österreich geflohen war, mit den Worten: "Ich würde nie eine antideutsche Tendenz in einem meiner Filme zulassen." So sah also auch die Weltöffentlichkeit nur auf Grund der FSK-Entscheidungen für viele Jahre eine "deutschfreundlichere" Version. Möglicherweise schoss Spiegel dabei über das Ziel hinaus – die FSK hätte kaum eine Handhabe gehabt, auch eine internationale Veränderung des Films zu fordern. Auch wenn der bekannte Urheberrechts-Jurist Horst von Hartlieb, der die Filmgesellschaft damals vertrat, in einem späteren Standardwerk über Filmrecht schrieb, dass ein ausländischer Film, wenn bekannt sei, dass er das Ansehen Deutschlands im Ausland gefährde, auch in einer harmloseren Version im Inland noch nationale Gefühle verletzen würde. "Man kann unter diesen Umständen nicht verlangen, dass eine deutsche Prüfstelle irgendeine Fassung eines solchen Films zulässt, auch wenn sie für den Inlandsbedarf verändert worden ist, es sei denn, dass sie dann auch für den Auslandsbedarf entsprechend geändert wird." So seine – später revidierte – Rechtsauffassung in den Fünfziger Jahren. Spätere DVD-Versionen fügten entfernte Teile wieder ein. Da es aber keine komplette Synchronfassung gab, erschienen sie in den wiedereingefügten Teilen deutsch untertitelt. Erst jetzt wurden die fehlenden Teile synchronisiert und erleben auf dieser Veröffentlichung ihre Premiere.
Das Wunder dieser einzigartigen Liebesgeschichte, die sich in hinreißenden kleinen Gesten vermittelt, während das Paar bei seiner lebensgefährlichen, heroischen Flussfahrt über sich hinauswächst, bemerkte Katharine Hepburn bald nach Beginn der Dreharbeiten. Sie spürte, dass "etwas Wunderbares geschah, während wir den Film drehten. Ich wusste, dass Bogie ein starker Trinker war, und in der Zeit, die wir dort waren, trank er eine Menge. Doch beim Drehen war er absolut professionell. Wirklich wundervoll, männlich und doch ein Gentleman." Und John Huston, dem sie Anfangs mit Skepsis begegnet war, lobte sie als einfühlsamen Schauspieler-Regisseur, der den "großartigen Film" bis ins Kleinste durchdacht im Kopf hatte, "um ihnen Spielraum für all die glücklichen Einfälle und Fügungen zu lassen, die sich beim Drehen ergeben können. ‚Wir richteten uns alle nach John‘, sagte Kate, ‚und wir begriffen, dass wir uns mit dem Ungeziefer, den Schlangen, dem Dreck und dem schlechten Wetter arrangieren mussten. Es wäre ein sinnloses Unterfangen gewesen, gegen all das anzukämpfen."
Katharine Hepburn hatte das Projekt aus denselben Gründen angenommen, aus denen andere davon zurückschreckten: Weil sie sich von der afrikanischen Reise ein Abenteuer erhoffte. Am Ende war es mehr als das: "Wenn man einen Film dreht", bekannte sie, "hat man normalerweise keine Ahnung, ob er ankommen wird oder nicht. Man gibt einfach sein Bestes und hofft, dass die Leute den Film ebenso mögen wie man selbst. Doch bei African Queen waren wir alle fest davon überzeugt, dass wir etwas Besonderes schufen. Wir wussten, so etwas war noch nie dagewesen. Und Bogie und ich harmonisierten wirklich gut. Ich glaube, wir haben uns gegenseitig gemocht und respektiert."
Dieser Essay wurde zuerst im Booklet zur restaurierten Edition von African Queen veröffentlicht. Weitere Infos dazu gibt's hier.
Daniel Kothenschulte