Die Trauben hängen hoch bei einem der größten Filmfestivals der Welt, aber 1958 heimste Ingmar Bergman mit Wilde Erdbeeren den Goldenen Bären ein – ebenso wie Jean-Luc Godard sieben Jahre später mit Alphaville. Werner Herzogs erstes Lebenszeichen als Filmemacher wurde schon in Berlin gezeigt, im aufrüttelnden Jahr 1968. Filme aus dem ARTHAUS-Programm auf der Berlinale – das hat wie man sieht eine lange Tradition und ist gewissermaßen ein perfect match. Schließlich gibt es eine Kontinuität der Verbindung, die vor der Gründung des ARTHAUS-Labels ihren Anfang nahm und bis heute ungebrochen anhält.
Ob Robert Altmans Satire Buffalo Bill und die Indianer aus dem Jahr 1976 oder Willard Carrolls Playing By Heart von 1999 – die unterschiedlichen Filme aus verschiedenen Epochen eint das Qualitätsmerkmal, ein besonderer Film zu sein. Punkt. Oder wie würden sie beschreiben, was Naked Lunch, Das Schweigen der Lämmer, Before Sunrise oder Buena Vista Social Club miteinander gemeinsam haben? Eben: Sie liefen im Berlinale Wettbewerb und bereiten uns weiterhin großes Vergnügen.
Der Goldene Bär und die Zigarette danach: »Intimacy« © Studiocanal
Allein mit all den ARTHAUS-Startern der vergangenen 50 Jahre könnte man schon ein interessantes und vor allem abwechslungsreiches Festivalprogramm auf die Beine stellen. Bei Jim Jarmuschs Coffee and Cigarettes sitzen die Leute noch gesittet beieinander und quatschen über Gott und die Welt, während sie in Patrice Chéreaus Intimacy mehr so über den Boden rollen. Nun ja, Schweigen (oder zumindest weniger reden, dafür mehr, ähm, handeln) kann Gold bedeuten, in diesem Fall den Hauptpreis im Jahr 2001.
Iris mit Judy Dench war 2002 ein Film vor seiner Zeit – setzte sich damals schon mit dem auseinander, was im Alltag gerne vergessen wird. Mit dem Thema Altern und Alzheimer. Wir erinnern gerne an Judy Denchs eindrucksvolle Darstellung der Schriftstellerin Iris Murdoch.
2004 kochten die Leidenschaften gewaltig hoch – Fatih Akins Gegen die Wand triumphierte auf der Berlinale, wurde zurecht als Bester Film ausgezeichnet. Und die große Entdeckung hieß Sibel Kekilli. Die Nullerjahre mit zahlreichen ARTHAUS-Berlinale-Auftritten, unter anderem Francois Ozons 8 Frauen, hatten schon gut angefangen. The Million Dollar Hotel von Wim Wenders gewann 2000 den Silbernen Bären. Einem Film, an dem U2-Frontmann Bono federführend beteiligt war – neben einem formidablen Star-Ensemble.
Ein etwas anderer Blick auf die Stadt: »Der Himmel über Berlin« © Studiocanal
In jüngster Zeit durften wir im Rahmen der Berlinale 3 Tage in Quiberon an der Seite der große Romy Schneider verbringen – und Zeug*innen des Interviews ihres Lebens werden, inszeniert von Emily Atef und gespielt von Marie Bäumer – mit einer Gänsehaut erzeugenden Nähe zur wahren Romy. Dazu durften wir zusammen mit dem Berlinale-Publikum ein wenig in Kino-Nostalgie schwelgen. Zunächst untermauerten Arnold Schwarzenegger und Terminator 2 den Anspruch, ein ewiger Klassiker zu sein – durch die Aufnahme in die Sektion Classics 2017.
Im selben Jahr bewiesen die Zombies aus Night of the Living Dead von George A. Romero, dass sie uns nicht ohne Grund bis heute nachlaufen. Es könnte an ihrer unnachahmlichen Hartnäckigkeit liegen (und natürlich an der Zeitlosigkeit einiger kritischer Seitenhiebe auf die Gesellschaft in diesem Meisterwerk). Himmlisch und zugleich melancholisch – das ist die Grundstimmung der Geschichte der Engel aus Wim Wenders‘ Der Himmel über Berlin, der gerade deshalb so gut zum modernen Geschehen rund um den Potsdamer Platz passt. Wenn in diesem Jahr Lars Kraumes Der vermessene Mensch über die deutschen Kolonialverbrechen auf der Berlinale Weltpremiere feiert, sind wir also wieder mit dabei. Mit einem besonderen Film, über den man auch in vielen Jahren noch reden wird. ARTHAUS auf der Berlinale – eine besondere Geschichte.
ARTHAUS auf der Berlinale: ein Videoessay
WF